04.03.2024

Herzinsuffizienz: Monitoring des PA-Drucks per Sensor zeigt Vorteile, aber potenzieller Schaden durch Implantation bleibt unklar

Das IQWiG kann die Methode nicht abschließend bewerten, weil wichtige Daten zu schwerwiegenden unerwünschten Ereignissen nicht veröffentlicht sind.

Porträtfoto unseres Mitarbeiters Stefan Sauerland

Im Auftrag des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) hat das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) den der Überwachung des pulmonalarteriellen Drucks (PA-Drucks) zur Therapieoptimierung durch einen implantierten Sensor im Vergleich zu jeglichem nicht invasiven Monitoring bewertet, jeweils bei Patienten und Patientinnen mit Herzinsuffizienz im Stadium NYHA III.

Hierfür haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des IQWiG drei randomisierte kontrollierte Studien (RCTs) mit Daten von insgesamt 1.548 betroffenen Patientinnen und Patienten ausgewertet. Zwar zeigten die Ergebnisse dieser Studien für mehrere patientenrelevante Endpunkte einen Vorteil zugunsten des PA-Druck-gestützten Monitorings, jedoch mangelte es an verwertbaren Studiendaten zur verlässlichen Bewertung der Komplikationen.

So bleibt der Nutzen des Monitorings des pulmonalarteriellen Druckes mit implantiertem Sensor in der Gesamtabwägung so lange unklar, bis anhand weiterer Studienergebnisse eine vollständige Beurteilung insbesondere möglicher Nachteile der Methode möglich ist.

Herzinsuffizienz ist eine der häufigsten Todesursachen in Deutschland

Bei einer Herzinsuffizienz (HI) ist das Herz nicht mehr in der Lage, den Körper in Ruhe oder bei Belastung mit ausreichend Blut und Sauerstoff zu versorgen. Je nach Schweregrad der HI geht diese mit verschiedenen Symptomen und Begleiterscheinungen wie etwa Atemnot, Müdigkeit oder auch Flüssigkeitsansammlungen einher.

Bei etwa 12 Prozent der Personen über 65 Jahren wird eine HI diagnostiziert, im Jahr 2021 wurde deutschlandweit bei rund 35.000 Personen eine HI als Todesursache angegeben. Im gleichen Jahr wurden knapp 440.000 Personen mit der Hauptdiagnose HI vollstationär behandelt. Damit zählt die HI zu den häufigsten Gründen für einen Krankenhausaufenthalt in Deutschland.

Eine Einteilung der Schweregrade der HI wir meist anhand der Klassifikation der New York Heart Association (NYHA) in die Stadien I bis IV vorgenommen, wobei HI im NYHA-Stadium I noch keine Symptome verursacht, im Stadium IV aber bereits in Ruhe oder bei geringsten körperlichen Aktivitäten Symptome auftreten.

Für eine positive Prognose der HI ist neben der leitliniengerechten Therapie auch das Selbstmanagement von Bedeutung. Zum Selbstmanagement zählt insbesondere eine engmaschige Kontrolle des Körpergewichts, da ein rascher Anstieg des Gewichts auf eine beginnende Dekompensation der HI hinweisen kann.

Das frühzeitige Erkennen von Verschlechterungen und das dann rechtzeitige Ergreifen von therapeutischen Maßnahmen können eine Dekompensation der HI verhindern und dadurch das Fortschreiten der HI verlangsamen sowie die Lebensqualität der Betroffenen verbessern. Hierauf zielt auch das Telemonitoring bei HI ab. Ein Telemonitoring mittels kardialer Aggregate oder mittels externer Geräte ist bereits im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) erstattungsfähig. Eine frühere Bewertung des IQWiG hatte ergeben, dass Patientinnen und Patienten mit diesen Formen des Telemonitorings seltener an Herz-Kreislauf-Erkrankungen sterben.

Die regelmäßige Messung und das Monitoring des PA-Drucks durch einen dauerhaft in die Pulmonalarterie per Katheter implantierten Sensors sollen frühzeitig Veränderungen im Lungenkreislauf aufzeigen, um rechtzeitig die medikamentöse Therapie anpassen zu können.

Nicht veröffentlichte Daten zum potenziellen Schaden verhindern Bewertung der Methode

Für die Nutzenbewertung der Messung und des Monitorings des pulmonalarteriellen Druckes mittels implantierten Sensors haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des IQWiG drei RCTs mit Daten von insgesamt 1.548 betroffenen Patientinnen und Patienten mit HI im Stadium NYHA III identifiziert und ausgewertet: Dabei zeigte sich beim Vergleich des invasiven Monitorings des PA-Druckes mittels implantierten Sensors zu einer alleinigen Standardversorgung mit einem nicht invasiven Monitoring sowohl für die gesundheitsbezogene Lebensqualität, die herzinsuffizienzbedingte Hospitalisierung als auch für die Krankenhausverweildauer ein Vorteil für das PA-Druck-gestützte Monitoring.

Allerdings bleibt unklar, welches Schadenspotenzial die Implantation eines Sensors mit sich bringt. Denn in zwei der drei Studien erhielten auch die Probandinnen und Probanden der Kontrollgruppe einen implantierten Sensor (die behandelnden Ärztinnen und Ärzte hatten hier nur keinen Zugriff auf die Messwerte). Und für jene Studie, in der den Patientinnen und Patienten der Kontrollgruppe kein Sensor implantiert wurde, hat die niederländische Studiengruppe die Studiendaten zu den schwerwiegenden unerwünschten Ereignissen der Methode nicht veröffentlicht. Auch eine Nachfrage des IQWiG erbrachte keine Ergebnisse.

Deshalb ist trotz der aufgezeigten Vorteile der Prüfintervention keine abschließende Bewertung des Schadenpotenzials möglich. Und der Nutzen des Monitorings des PA-Druckes mit implantiertem Sensor bleibt in der Gesamtabwägung so lange unklar, bis anhand weiterer Studienergebnisse eine vollständige Beurteilung – insbesondere möglicher Nachteile – der Methode möglich ist. Zu bedenken ist hierbei, dass die Implantation eines Drucksensors in die Lungenarterie sowohl kurzfristig durch den Eingriff als auch längerfristig durch das Implantat und die erforderlichen Medikamente Komplikationen herbeiführen kann.

Doch weitere ist in Sicht: Über die Recherche in Studienregistern hat das IQWiG drei aktuell noch laufende RCTs mit NYHA-III-Patientinnen und Patienten identifiziert. In allen drei Studien werden patientenrelevante Endpunkte erhoben, die zusätzliche Erkenntnisse zum Nutzen und Schaden des PA-Druck-Monitorings erwarten lassen. Da alle drei Studien eine Kontrollgruppe ohne Implantation eines PA-Drucksensors untersuchen, hoffen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, bislang fehlende Daten zur Bewertung des Schadenspotentials des PA-Druck-gestützten Monitorings mit diesen Studien zu erhalten.

„Nicht zum ersten Mal können wir eine vielversprechende Methode zur Verbesserung der Patientenversorgung nicht abschließend bewerten, weil Studiendaten nicht veröffentlicht werden“, kritisiert Stefan Sauerland, Leiter des IQWiG-Ressorts Nichtmedikamentöse Verfahren. Er setzt sich bereits seit langem dafür ein, klinische Forschungsgruppen gesetzlich zu verpflichten, alle Studienergebnisse zu veröffentlichen. Dies sei man sowohl den teilnehmenden Probandinnen und Probanden, den betroffenen Patientinnen und Patienten als auch dem wissenschaftlichen Fortschritt schuldig. „Bei Arzneimittel- und Medizinproduktestudien gibt es eine gesetzliche Pflicht zur Veröffentlichung der Ergebnisse, bei sonstigen klinischen Studien nicht“, sagt Sauerland und verweist auf die aktuellen Initiativen, die sich für die Registrierung und Veröffentlichung aller klinischen Studien in Deutschland einsetzen.

Zum Ablauf der Berichterstellung

Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat am 17.08.2023 das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) mit der Bewertung der Messung und des Monitorings des PA-Druckes mittels implantierten Sensors zur Therapieoptimierung bei Herzinsuffizienz im Stadium NYHA III beauftragt. Auf Basis einer internen Projektskizze wurde ein erstellt. Dem Auftraggeber ist der nun veröffentlichte Rapid Report im Februar 2024 zugegangen.

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