Wege der Auftragsvergabe

Das IQWiG führt weder klinische Studien noch Patientenberatungen durch. Vielmehr beantwortet es in seinen Gutachten medizinische Fragen auf Basis schon vorhandener, verlässlicher , also wissenschaftlicher Nachweise. Ab und zu erreichen uns Bitten oder Aufforderungen, bestimmte Fragestellungen zu bearbeiten – etwa um Patientinnen und Patienten vor schädlichen Therapien zu schützen. Geht das? Wer kann überhaupt Aufträge an das IQWiG vergeben? Und unter welchen Umständen kann das Institut aus eigenem Antrieb aktiv werden?

Wege der Auftragsvergabe an das IQWiG: eine fünfteilige Infografik. Erster Teil. Die Schließung einer medizinischen Wissenslücke kann vom Gemeinsamen Bundesausschuss, vom BMG oder von Bürgerinnen und Bürgern angestoßen werden. Das Institut stellt dann die wissenschaftliche Beleglage zusammen und wertet sie aus. In vielen Fällen bezieht es dabei auch externe Fachleute ein. Die Ergebnisse fügt das Institut zu einem Gutachten zusammen, das an die Auftraggeber versandt und auf der Website veröffentlicht wird. Bei den Auftraggebern fließt das Gutachten in Beschlüsse, Verordnungen, Leitlinien usw. ein. Das Ergebnis: Die Wissenslücke wurde geschlossen. Oder es wurde weiterer Forschungsbedarf belegt.

Aus den Gesetzen und Verordnungen, in denen die Rolle und die Arbeit des IQWiG geregelt sind, ergeben sich vier Wege, die wir im Folgenden jeweils in einem Text und einem Bild darstellen:

  • Die weitaus meisten Aufträge erhält das Institut vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA), dem höchsten Entscheidungsgremium im System der gesetzlichen Krankenversicherung in Deutschland.
  • Auch das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) kann dem IQWiG Arbeitsaufträge erteilen.
  • Die Themen, zu denen das IQWiG ThemenCheck-Berichte herausgibt,werden von Bürgerinnen und Bürgern vorgeschlagen, von Laien und Fachleuten vorausgewählt, von der Institutsleitung festgelegt und von externen Autorinnen und Autoren bearbeitet.
  • Der sogenannte ermöglicht es dem IQWiG, aus eigenem Antrieb tätig zu werden: zum einen, um verständliche Gesundheitsinformationen zu erstellen, zum anderen, um Fragen von grundlegender Bedeutung zu bearbeiten, die sich beispielsweise im Zuge der übrigen Projekte gestellt haben.

Ganz gleich, auf welchem Wege das Institut tätig wird: Nach dem Willen des Gesetzgebers hat es dafür Sorge zu tragen, dass eine Bewertung des medizinischen Nutzens nach den international anerkannten Standards der evidenzbasierten Medizin und eine ökonomische Bewertung nach den international anerkannten Standards insbesondere der Gesundheitsökonomie erfolgt. Die Arbeitsmethoden des IQWiG sind öffentlich einsehbar.

In keinem Fall trifft das IQWiG Entscheidungen über den Marktzugang oder -verbleib von Arzneimitteln, Medizinprodukten oder medizinischen Leistungen, über den Leistungskatalog der GKV, über Zusatzangebote von Krankenkassen oder über die Therapieangebote von Ärztinnen und Ärzten. Unsere Aufgabe beschränkt sich auf die Sichtung, Analyse, Darstellung und Bewertung der wissenschaftlichen Beleglage zu medizinischen Fragestellungen.

Wissenschaftliche Kooperationsprojekte (etwa im Zuge des „European Network for Health Technology Assessment“, kurz EUnetHTA) werden hier nicht behandelt, da das Institut in solchen Fällen keinen Auftrag erhält, sondern sich aktiv um eine Zusammenarbeit und Weiterentwicklung im Bereich der evidenzbasierten Medizin bemüht – wie im Sozialgesetzbuch vorgesehen (SGB V, § 139a Abs. 3).

Wege der Auftragsvergabe an das IQWiG: eine fünfteilige Infografik. Zweiter Teil. Beispiel für einen Auftrag des Gemeinsamen Bundesausschusses an das IQWiG: Antidepressiva. Der Anlass war die Ungewissheit, ob bei bestimmten Antidepressiva der Nutzen oder die Nebenwirkungen überwiegen. Unklar waren auch die Vor- und Nachteile einzelner Antidepressiva im Vergleich zueinander. Der Auftrag war eine Nutzenbewertung auf Basis von Studien, die die Hersteller der Antidepressiva durchgeführt hatten. Das Ergebnis: Die Daten waren unvollständig. Nicht alle Hersteller lieferten das fehlende Material nach. Für ein Antidepressivum ließ sich ein Schaden, aber kein Nutzen belegen. Die Folge: Das IQWiG und andere forderten eine gesetzliche Pflicht zur Veröffentlichung von Studiendaten. Inzwischen gibt es sie. Hersteller müssen dem IQWiG ihre Daten zur Verfügung stellen. Das führt zu besseren Therapie-Entscheidungen.

Aufträge vom Gemeinsamen Bundesausschuss: Was gehört in den Leistungskatalog der GKV?

Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) als höchstes Entscheidungsgremium im System der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) entscheidet darüber, welche medizinischen Leistungen von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen werden. Die Voraussetzung dafür nennt das Sozialgesetzbuch (SGB V, § 12): „Die Leistungen müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten.“

Ob etwa eine Therapie oder eine Diagnosemethode zweckmäßig ist, also auch eine positive Nutzen-Schaden-Bilanz hat, beurteilt der in vielen Fällen auf der Basis eines Gutachtens, das das IQWiG erstellt. Dieser Weg der Auftragsvergabe ist ebenfalls im Sozialgesetzbuch (SGB V, § 139b) beschrieben. Die Verfahrensordnung des G-BA (Abschnitt 4) führt aus: Aufträge an das IQWiG werden bei „Fragen von grundsätzlicher Bedeutung für die Qualität und Wirtschaftlichkeit“ der im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung erbrachten Leistungen erteilt. Neben den im G-BA vertretenen Institutionen können auch das BMG, die Patientenvertreterinnen und -vertreter oder die bzw. der Patientenbeauftragte des Bundes beim G-BA einen Auftrag an das Institut beantragen.

Nach Eingang eines G-BA-Auftrags hat das IQWiG eine bestimmte Zeitspanne, um das Gutachten zu erstellen, dem G-BA zukommen zu lassen und zu veröffentlichen. Diese Frist hängt von der Art des erforderlichen Gutachtens ab. Eine Übersicht über die Gutachtentypen finden Sie unter Über uns > Methoden > Ergebnisse.

So sind etwa unsere Rapid Reports als schnelle Empfehlungen zu aktuellen Versorgungsfragen gedacht. Andere Berichte sind weniger eilig und brauchen länger, weil zunächst ein veröffentlicht und um Stellungnahmen aus Fachkreisen gebeten wird. Außerdem wird die weltweite Fachliteratur für umfassende Berichte systematisch nach relevanter durchforstet, während das IQWiG für andere Gutachtentypen nur die wichtigsten Datenquellen heranzieht oder ausschließlich das Material auswertet, das es bei der Auftragserteilung vom G-BA oder von den Herstellern und Anbietern einer Therapie erhält. Auch das beeinflusst den Arbeitsaufwand und damit die Frist bis zur Fertigstellung.

Durch Gesetzesänderungen hat sich das Spektrum der Gutachtentypen des IQWiG im Lauf der Jahre erweitert. Dossierbewertungen dienen der frühen Nutzenbewertung von Arzneimitteln mit neuen Wirkstoffen und werden in drei Monaten abgeschlossen. Ein Stellungnahmeverfahren findet erst anschließend im Zuge der G-BA-Beratungen statt. Der G-BA kann beim IQWiG auch sogenannte Kosten-Nutzen-Bewertungen in Auftrag geben, was aber in den letzten Jahren nicht geschehen ist. Potenzialbewertungen im Auftrag des G-BA sollen klären, ob eine Untersuchung oder Behandlung, deren noch nicht hinreichend belegt ist, zumindest das „Potenzial zu einer erforderlichen Behandlungsalternative“ hat. Außerdem kann der G-BA das Institut mit der Bewertung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden mit Medizinprodukten hoher Risikoklasse beauftragen, wenn Krankenhäuser für die Anwendung solcher Methoden Zusatzentgelte beantragt haben.

Der G-BA kann beim IQWiG auch ein sogenanntes Addendum zu einem Gutachten in Auftrag geben, wenn sich im Zuge seiner Beratungen weiterer Informationsbedarf ergibt.

Die Arbeitsergebnisse des IQWiG haben den Charakter von Empfehlungen, die der G-BA bei seiner Beschlussfindung berücksichtigen muss, von denen er aber auch abweichen kann – etwa, wenn sich neue Erkenntnisse ergeben, nachdem das IQWiG seine Empfehlung abgegeben hat.

Wege der Auftragsvergabe an das IQWiG: eine fünfteilige Infografik. Dritter Teil. Beispiel für einen Auftrag des BMG an das IQWiG: Leitlinie zur natürlichen sogenannten vaginalen Geburt am Termin. Der Anlass: Zwei Fachgesellschaften wollten eine Leitlinie erarbeiten. Dafür brauchten sie einen Überblick über die Evidenzlage. Der Auftrag an das IQWiG war eine Unterstützung der Fachgesellschaften. Diese stellten dem Institut acht Schlüsselfragen. Das Ergebnis: Das IQWiG ermittelte und bewertete Studien zu den Fragen rund um die „natürliche Geburt“. Die Folge: Orientierung für das medizinische Personal und mehr Sicherheit für Schwangere und ihre Kinder.

Aufträge vom Bundesministerium für Gesundheit: Die Politik fragt, das IQWiG antwortet

Neben dem nennt das Sozialgesetzbuch (SGB V, § 139b) das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) als zweiten regulären Auftraggeber des IQWiG. Das Ministerium kann nicht nur über den G-BA Aufträge initiieren, sondern sie dem Institut auch direkt erteilen.

Solche Aufträge dienen beispielsweise der Vorbereitung evidenzbasierter gesundheitspolitischer Beschlüsse oder der Unterstützung medizinischer Fachgesellschaften. Auf BMG-Aufträge gehen unter anderem ein zur Bewertung von Studien bei seltenen Erkrankungen (2013), die Unterstützung bei der Erstellung einer zur natürlichen Geburt (2016), ein Konzept sowie eine Reihe von Texten für das „Nationale Gesundheitsportal“ (2018 und 2020) und ein Schnellbericht zur patientenindividuellen Verblisterung von Arzneimitteln (2019) zurück.

BMG-Aufträge an das IQWiG sind aber deutlich seltener als G-BA-Aufträge.

Wege der Auftragsvergabe an das IQWiG: eine fünfteilige Infografik. Vierter Teil. Beispiel für einen ThemenCheck-Bericht: Welche Alternativen gibt es zu Antidepressiva? Der Anlass: Viele Menschen bekommen Herbst-Winter-Depressionen. Nicht alle wollen gleich Antidepressiva nehmen. Hilft eine Lichttherapie oder Vitamin D? Diese Frage wurde beim ThemenCheck Medizin gestellt. Den Auftrag erteilte das IQWiG an ein externes Autorenteam. Das Ergebnis: Lichtlampen verbessern die Symptome und wirken etwa so gut wie das Medikament Fluoxetin oder eine kognitive Verhaltenstherapie. Zu Vitamin D gab es keine guten Studien. Die Folge: Man weiß jetzt, dass Lichtlampen bei einer Herbst-Winter-Depression einen Nutzen haben. Viele betroffene können auf ein Antidepressivum verzichten.

ThemenCheck-Berichte zu Bürgerfragen: Das IQWiG als Auftraggeber

Ebenfalls im Sozialgesetzbuch (SGB V, § 139b) hat der Gesetzgeber das öffentliche Vorschlagsverfahren für ThemenCheck-Berichte und die Beauftragung externer Sachverständiger zum Verfassen dieser Berichte pauschal auf das IQWiG übertragen. Damit kann das Institut diesen Prozess regelmäßig in eigener Regie durchführen.

Bei diesem „ThemenCheck Medizin“ können alle Bürgerinnen und Bürger rund ums Jahr Bewertungen zu medizinischen Verfahren und Technologien vorschlagen, deren und Stellenwert noch nicht genügend erforscht sind. Aus den eingehenden Vorschlägen wählt das Institut einmal im Jahr bis zu fünf Themen aus, die für die Versorgung von Patientinnen und Patienten in Deutschland besonders bedeutsam sind. Dabei wird sowohl die Bürger- und Patientensicht als auch die wissenschaftliche Perspektive berücksichtigt.

Das IQWiG-Team sammelt zunächst wissenschaftliche Informationen zu den Vorschlägen und wertet sie aus: Wie viele Betroffene gibt es? Wie belastend ist die jeweilige Erkrankung? Gibt es wissenschaftliche Studien zur Fragestellung? Wie teuer ist das fragliche medizinische Verfahren? Deutet etwas auf Versorgungsprobleme hin? Müssen besondere ethische Aspekte berücksichtigt werden? Auf Basis dieser Informationen wählt zunächst ein Auswahlbeirat aus Bürgerinnen und Bürgern sowie Patientenvertreterinnen und -vertretern jedes Jahr bis zu 15 Themen aus. Im zweiten Schritt sucht die IQWiG-Leitung nach Beratung durch den erweiterten Fachbeirat bis zu fünf Themen pro Jahr aus.

Die ThemenCheck-Berichte zu diesen Fragestellungen werden im Auftrag des Instituts von fachkundigen externen Wissenschaftler-Teams verfasst und um Herausgeberkommentare des IQWiG ergänzt. Hier tritt das Institut also nicht als Auftragnehmer, sondern vielmehr als Auftraggeber auf. Die Berichte werden auf der Website des IQWiG veröffentlicht und an die relevanten Einrichtungen im Gesundheitswesen versandt, damit die gewonnenen Erkenntnisse in eine Verbesserung der Versorgung einfließen können. Jeder Bericht wird zudem durch ein Dokument namens „ThemenCheck kompakt“ begleitet, das die Ergebnisse leicht verständlich zusammenfasst.

Wege der Auftragsvergabe an das IQWiG: eine fünfteilige Infografik. Fünfter Teil. Beispiel für einen Generalauftrag: Unsicherheit in Patienten-Informationen. Der Anlass: Um eine informierte Entscheidung zu treffen, muss man wissen, wie sicher die Evidenz ist. Aber wie beeinflusst die Darstellung von Unsicherheit die Leserinnen und Leser einer Patienten-Information? Der Generalauftrag: Forscherinnen und Forscher der Uni Erfurt und des IQWiG nahmen sich vor, Textvarianten mit unterschiedlicher Aussagensicherheit zu einem fiktiven Arzneimittel empirisch zu testen. Das Ergebnis: Die Mitteilung wissenschaftlicher Unsicherheit über einen Behandlungseffekt hatte wenig Einfluss auf die wahrgenommene Wirksamkeit der Behandlung. Die Folge: Die Verfasserinnen und Verfasser von Patienten-Informationen wissen nun, dass sie ihrer Leserschaft ehrliche Darstellungen unsicherer Evidenz ruhig zumuten können.

Der Generalauftrag: Aus eigenem Antrieb, aber nicht beliebig

Das Institut kann auch in eigener Regie Fragen von grundlegender Bedeutung aufgreifen und bearbeiten, ohne sich jedes Mal konkret mit dem und dem BMG abzustimmen. Dazu hat ihm der G-BA 2004 einen sogenannten Generalauftrag erteilt, der 2006 (zum Beschluss von 2006) und 2008 (zum Beschluss) erweitert wurde.

Der ursprüngliche dient dazu, dem G-BA Informationen und Vorschläge über versorgungsrelevante Entwicklungen in der Medizin zur Verfügung zu stellen oder die eigene Methodik weiterzuentwickeln – auf Basis einer kontinuierlichen Sichtung der Fachliteratur und der Erfahrungen, die das Institut bei der Bearbeitung seiner Aufträge sammelt.

Die Ergebnisse werden zumeist in Arbeitspapieren dargestellt. Diese Arbeitspapiere gehen zunächst an den G-BA, den Vorstand und den Stiftungsrat, dann an das Kuratorium der Stiftung, die das IQWiG trägt, und werden schließlich auf der Website des Instituts veröffentlicht.

Seit seiner Erweiterung deckt der Generalauftrag auch die im Sozialgesetzbuch (SGB V, § 139a) verankerte Aufgabe des Instituts ab, allen Bürgerinnen und Bürgern „verständliche allgemeine Informationen zur Qualität und Effizienz in der Gesundheitsversorgung sowie zu Diagnostik und Therapie von Krankheiten mit erheblicher epidemiologischer Bedeutung“ zur Verfügung zu stellen. Dazu dient die Website gesundheitsinformation.de, auf der die in Deutschland häufigsten Erkrankungen und die jeweiligen Behandlungsoptionen dargestellt sind. Der G-BA war in die Auswahl der Themen einbezogen, muss aber dank Generalauftrag das Verfassen der Informationen nicht für jede Erkrankung gesondert anstoßen.

Aber nicht alle Inhalte auf gesundheitsinformation.de werden im Zuge des Generalauftrags erstellt: Manche sind auch das Resultat eines themenspezifischen Einzelauftrags des G-BA, meist in der Folge eines Bewertungsauftrags zum selben Thema. Ein Beispiel ist die Entscheidungshilfe zu Biomarker-Tests bei Brustkrebs, die das Institut nach Abschluss der entsprechenden Nutzenbewertung verfasst hat.

Bild von

Jens Flintrop

Pressesprecher

Bild von

Susanne Breuer

Pressereferentin

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