03.12.2012

Linagliptin: Erneut keine Belege für Zusatznutzen

Auch aus neuem Dossier ist Zusatznutzen nicht ableitbar / Keine geeigneten Studien vorgelegt

Linagliptin (Handelsname Trajenta®) ist seit August 2011 zugelassen für die Verbesserung der Blutzuckerkontrolle bei Erwachsenen mit Diabetes mellitus Typ 2. Auch bei der Bewertung des neuen Dossiers gemäß Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG) lässt sich kein des Wirkstoffs gegenüber der zweckmäßigen Vergleichstherapie feststellen. Denn der Hersteller hat keine relevanten Studien vorgelegt. Zu diesem Ergebnis kommt der am 3. Dezember 2012 veröffentlichte des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG).

Erst-Bewertung aufgrund abweichender Vergleichstherapie negativ

Bereits bei seiner ersten frühen Nutzenbewertung vom Januar 2012 hatte das IQWiG keinen feststellen können. Das lag daran, dass der pharmazeutische Unternehmer (Boehringer Ingelheim) in seinem ersten Dossier nicht die vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) festgelegte zweckmäßige Vergleichstherapie gewählt hatte (Sitagliptin statt Sulfonylharnstoffe). Einen auf dem IQWiG-Bericht fußenden Beschluss hatte der am 29. März 2012 gefasst.

Hersteller kann in Übergangsfrist erneut Dossier einreichen

Aufgrund einer inzwischen im Sozialgesetzbuch V (§35a Absatz 5b) verankerten Ausnahmeregelung können Firmen während einer Übergangsfrist bis Ende 2012 jederzeit eine Neubewertung beantragen, wenn der aufgrund unvollständiger Nachweise als nicht belegt gilt. Der hat einen entsprechenden Antrag für Linagliptin positiv beschieden und das IQWiG mit der Bewertung des vom Hersteller neu eingereichten Dossiers beauftragt. Linagliptin ist das erste Arzneimittel das nach dieser Regel erneut auf den Prüfstand kommt.

Zulassung unterscheidet drei Therapiesituationen

Die vom festgelegte zweckmäßige Vergleichstherapie (Sulfonylharnstoffe Glibenclamid, Glimepirid) unterscheidet drei Therapiesituationen: Die Gabe von Linagliptin allein (Monotherapie) als Ersatz für Metformin, wenn dieser Wirkstoff für die Patientinnen und Patienten nicht verträglich ist oder wegen einer Störung der Nierenfunktion nicht eingenommen werden sollte. In Bezug auf die Monotherapie soll Linagliptin mit einem Medikament aus der Gruppe der Sulfonylharnstoffe verglichen werden.

Die Zweifachtherapie kombiniert Linagliptin und Metformin und ist angezeigt, wenn die Behandlung mit Metformin zur Blutzuckerkontrolle nicht ausreicht. Für die Bewertung des Zusatznutzens soll die Zweifachtherapie mit Linagliptin verglichen werden mit der Kombination von Metformin und einem Sulfonylharnstoff (Glibenclamid oder Glimepirid).

Bei der Dreifachtherapie werden Linagliptin, Metformin und Sulfonylharnstoff kombiniert, wenn die Zweifachtherapie mit Metformin und Sulfonylharnstoffen zur Behandlung nicht ausreicht. Die Dreifachtherapie steht zum Vergleich mit der Kombination von Humaninsulin und Metformin.

Direkter Vergleich mit Placebo reicht nicht aus

Für die Mono- und Dreifachtherapie hat der Hersteller keine Studien vorgelegt, die Linagliptin gegen die zweckmäßige Vergleichstherapie getestet haben. Zwar stellt er in seinem Dossier ergänzend die Ergebnisse aus placebokontrollierten Studien dar. Der direkte Vergleich mit einem Scheinmedikament ist jedoch in diesem Fall nicht geeignet, um den eines Wirkstoffs gegenüber einer anderen Therapie zu belegen.

Zudem benennt der pharmazeutische Unternehmer auch keine Studien, die man für einen indirekten Vergleich heranziehen könnte. Für die Dreifachtherapie hält er einen indirekten Vergleich aus methodischen Gründen für nicht durchführbar.

Einzige Studie zu Zweifachtherapie vergleicht zwei Therapiestrategien

Zur Zweifachtherapie führt der Hersteller eine Studie auf, die Glimepirid und Linagliptin jeweils in Kombination mit Metformin gegeneinander getestet hat und die damit prinzipiell relevant sein könnte. Allerdings werden hier nicht allein zwei Medikamente, sondern zugleich zwei unterschiedliche Therapiestrategien miteinander verglichen: Während die Dosis von Glimepirid in der ersten Studienphase so lange angepasst, d.h. aufdosiert werden sollte, bis für den Blutzucker () ein normnaher Wert erreicht wurde, war in der Linagliptin-Gruppe kein konkreter Zielwert vorgegeben. Somit ist unklar, ob mögliche Unterschiede in den Behandlungsergebnissen auf die Wirkstoffe oder auf die Therapiestrategie, also die einseitige Zielwertvorgabe zurückzuführen sind. Um einen abzuleiten, ist diese Studie deshalb ebenfalls nicht geeignet.

Intensive Blutzuckersenkung kann Risiko für Schlaganfälle erhöhen

Auch wenn sie für die Bewertung des Zusatznutzens von Linagliptin nicht relevant ist, bringt diese Studie doch eine wichtige Erkenntnis: In der ersten Studienphase, in der die Blutzuckerwerte in der Glimepirid-Gruppe rasch in den gewünschten normnahen Bereich abgesenkt wurde, war nicht nur die Zahl der Unterzuckerungen, sondern auch die der schwerwiegenden zerebralen Ereignisse, also der Schlaganfälle, deutlich höher als in der Vergleichsgruppe, in der kein Blutzuckerzielwert vorgegeben war.

"Diese Ergebnisse zeigen einmal mehr, dass eine intensive Absenkung der Blutzuckerwerte durch erhebliche Gesundheitsrisiken erkauft wird", kommentiert Institutsleiter Jürgen Windeler. "Und dieser Befund ist eher auf die unterschiedlichen Therapiestrategien als auf die Wirkstoffe zurückzuführen."

G-BA beschließt über Ausmaß des Zusatznutzens

Die Dossierbewertung ist Teil des Gesamtverfahrens zur frühen Nutzenbewertung, das der leitet. Nach der Publikation von Herstellerdossier und Dossierbewertung führt der ein Stellungnahmeverfahren durch, das ergänzende Informationen liefern und in der Folge zu einer veränderten Nutzenbewertung führen kann. Der trifft einen Beschluss über das Ausmaß des Zusatznutzens, der die frühe Nutzenbewertung abschließt.

Auf der vom IQWiG herausgegebenen Website gesundheitsinformation.de finden Sie zudem eine allgemeinverständliche Kurzinformation.

Auf der Website des sind sowohl allgemeine Informationen zur Nutzenbewertung nach §35a SGB V als auch zur Bewertung von Linagliptin zu finden.

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