22.09.2010

Nutzen von Bewegung bei Bluthochdruck ist zu wenig untersucht

Verfügbare Studien lassen keine Aussagen zu Sterblichkeit, Folgeerkrankungen oder Lebensqualität zu

Es gibt viele gute Gründe, für ausreichende Bewegung im Alltag zu sorgen. Für Patientinnen und Patienten mit Bluthochdruck wird der Ratschlag, sich regelmäßig zu bewegen, jedoch oft als konkrete medizinische Maßnahme betrachtet. Sie hat zum Ziel, etwas gegen das erhöhte für Folgeerkrankungen zu tun. Doch ob mehr Bewegung tatsächlich hilft, durch Bluthochdruck begünstigte Krankheiten zu vermeiden oder zumindest hinauszuzögern, ist wissenschaftlich nicht ausreichend untersucht. Um Bluthochdruck-Patienten besser beraten zu können, sind deshalb aussagekräftige klinische Studien nötig. Zu diesem Ergebnis kommt ein am 22. September 2010 veröffentlichter des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG).

Umfassendes Auftragspaket zu Hypertonie

Dieser ist Teil eines vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) erteilten Auftragspakets, in dem der verschiedener nicht medikamentöser Behandlungsstrategien bei der sogenannten essenziellen Hypertonie bewertet werden soll. Das ist die typische Form des Bluthochdrucks, bei der sich keine klare Ursache finden lässt.

Wer einen erhöhten Blutdruck hat, erhält viele gutgemeinte Ratschläge, Stressbewältigung gehört ebenso dazu wie Rauchverzicht und weniger Alkohol. Auch in Leitlinien wird dies empfohlen. Berichte zu der Frage, wie sich Abnehmen und Kochsalzreduktion auf den Blutdruck auswirken, hat das IQWiG bereits abgeschlossen.

Was soll "mehr Bewegung" erreichen?

Patientinnen und Patienten mit Bluthochdruck haben ein erhöhtes für bestimmte Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Schlaganfälle, Herzinfarkte aber auch Nierenversagen treten häufiger auf, als bei Menschen ohne Bluthochdruck. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wollten deshalb vor allem wissen, ob Menschen mit Bluthochdruck durch mehr Bewegung tatsächlich ihr zum Beispiel von Herzinfarkten und Schlaganfällen verringern können und wie sich mehr Bewegung auf ihre krankheitsbezogene Lebensqualität auswirkt.

Studien hatten nur wenige Teilnehmerinnen und Teilnehmer

Gesucht haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nach Studien, die Freiwillige mit Bluthochdruck per Los in zwei Gruppen eingeteilt haben: Eine Interventions-Gruppe sollte sich über einen längeren Zeitraum mehr bewegen (z.B. Radfahren, Laufen, Wandern, Schwimmen); die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in der Kontroll-Gruppe waren dagegen nicht angehalten, ihre körperliche Aktivität zu steigern. Die Studien mussten zudem mindestens 24 Wochen gedauert haben.

Insgesamt konnten das IQWiG und seine externen Sachverständigen 8 randomisiert kontrollierte Studien mit einer Laufzeit von 6 bis 12 Monaten in die Bewertung einbeziehen. Die Studien waren alle relativ klein, in der Mehrzahl hatten höchstens 20 Personen pro Studiengruppe teilgenommen. Zudem waren sie in den meisten Fällen anfällig für Verzerrungen, was die Aussagekraft der Ergebnisse stark einschränkt.

Unerwünschte Konsequenzen nicht untersucht

Wie die Auswertung ergab, lassen die im berücksichtigten Studien keine Aussagen über die für Bluthochdruck-Patienten maßgeblichen Aspekte des Nutzens von vermehrter körperlicher Aktivität zu: Weder zu Sterblichkeit, Herz-Kreislauf-Erkrankungen (kardiovaskuläre ) oder Versagen der Nieren (terminale Niereninsuffizienz) noch zu gesundheitsbezogener Lebensqualität liefern die Studien genügend Ergebnisse. Auch zu Nebenwirkungen (unerwünschte Ereignisse) fehlen ausreichende Angaben: Da viele Patientinnen und Patienten mit Bluthochdruck älter sind, könnte es sein, dass sie ein höheres haben, zu stürzen oder sich zu verletzen.

Systolischer Blutdruck wurde gesenkt

In allen Studien wurden dagegen die Auswirkungen auf den Blutdruck ausgewertet. Die Daten zeigen, dass vermehrte körperliche Aktivität den systolischen Wert (den "oberen" Wert) um 5 bis 8 mm Hg senken kann. Beim diastolischen Wert (dem "unteren" Wert) zeigten sich dagegen keine Unterschiede zwischen den Behandlungsgruppen. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler können jedoch nicht sicher vorhersagen, ob diese Verringerung von Dauer ist und wie sie sich gesundheitlich auswirkt. Eine Blutdrucksenkung ist zwar ein Hinweis, dass sich die Risiken für Folgeerkrankungen verringern könnten. Von Arzneimitteln weiß man aber, dass auch Medikamente, die ähnlich wirksam den Blutdruck senken, trotzdem nicht gleich gut Folgeerkrankungen wie zum Beispiel Herzschäden vorbeugen und sich auch in den Nebenwirkungen unterscheiden.

Aus den Studien ging auch nicht hervor, ob die Teilnehmerinnen und Teilnehmer durch mehr Bewegung die Einnahme von blutdrucksenkenden Medikamenten verringern konnten.

Auch Ratschläge zum Lebensstil in Studien untersuchen

"Um Missverständnissen vorzubeugen: Unsere Schlussfolgerung lautet nicht, dass mehr Bewegung nutzlos oder gar schädlich ist", sagt Prof. Dr. med. Jürgen Windeler, der Leiter des IQWiG. "Es ist aber ernüchternd, dass Medikamente zur Blutdrucksenkung in Dutzenden von großen Studien getestet wurden, wir über Vor- und Nachteile von körperlicher Aktivität aber kaum etwas wissen, obwohl nationale und internationale Fachgesellschaften diese seit langem empfehlen." Dieses Ungleichgewicht gelte es zu beheben. "Der Ratschlag, sich mehr zu bewegen, bedeutet für Patientinnen und Patienten mit Bluthochdruck ja oft eine deutliche Umstellung ihres Lebensstils. Patienten sollten wissen, was sie davon haben", so Windeler.

Zum Ablauf der Berichtserstellung

Der wurde als erstellt. Rapid Reports, sogenannte Schnellberichte, sollen zeitnahe Informationen zu einem aktuellen Thema bieten. Sie sind nicht auf Richtlinienentscheidungen des ausgelegt. Um eine kürzere Erarbeitungszeit zu gewährleisten, unterscheidet sich der Ablauf der Erstellung von dem der übrigen Berichte vor allem in zwei Punkten: Arbeitsdokumente, Berichtspläne oder Vorberichte werden nicht publiziert und es gibt auch kein Stellungnahmeverfahren. Zudem erfolgt die Bewertung in der Regel auf Basis bereits publizierter Informationen, d.h. das IQWiG bemüht sich nicht, beispielsweise bei Herstellern von Arzneimitteln unveröffentlichte Studiendaten zu bekommen.

Der vorliegende wurde zusammen mit externen Sachverständigen erarbeitet. Eine vorläufige Version wurde von einer weiteren unabhängigen Forschergruppe begutachtet, die endgültige Fassung wurde am 23.8.2010 an den versandt.

Einen Überblick über Hintergrund, Vorgehensweise und weitere Ergebnisse des Berichts gibt folgende Kurzfassung.

Kontakt: Tel. 0221-35685-0, info@iqwig.de

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