16.04.2014

Gesundheitsinformation.de im Nutzertest: Nicht jeder versteht alles

IQWiG veröffentlicht Arbeitspapier zur Rezeption von Gesundheitsinformationen durch sozial Benachteiligte

Menschen mit niedrigem sozialem Status und geringem Bildungsniveau haben einen hohen Bedarf an Gesundheitsinformationen. Aber die Texte des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) sind für sie oft schwer verständlich. Zudem ist der Zugang zu dieser Zielgruppe schwierig. Zu diesem Ergebnis kommt eine Nutzertestung, die das IQWiG im Rahmen seines Generalauftrags durchführen ließ.

Sozial benachteiligte Bürgerinnen und Bürger wurden gebeten, Texte, Filme und andere Informationsformate von Gesundheitsinformation.de  zu bewerten. Ein Team von Wissenschaftlerinnen von der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur in Leipzig hat diese Befragung im Auftrag des IQWiG vorgenommen, ausgewertet und daraus Handlungsempfehlungen abgeleitet. Zu dieser Nutzertestung hat das IQWiG nun ein veröffentlicht. Ein Teil der Empfehlungen konnte bereits beim Relaunch der Website umgesetzt werden.

Hilfreicher Blick von außen

Seit 2006 veröffentlicht das IQWiG im Rahmen seines gesetzlichen Auftrags Gesundheitsinformationen auf der Webseite Gesundheitsinformation.de . Diese sind für die breite Öffentlichkeit bestimmt – „für alle Bürgerinnen und Bürger“, wie es im Gesetz heißt. Da es häufig um komplexe Sachverhalte geht, stand aber zu vermuten, dass dieses Angebot nicht alle Teile der Gesellschaft gleich gut erreicht.

Um zu klären, ob die Informationen auch für sozial Benachteiligte verständlich sind, beauftragte das Institut 2013 eine Arbeitsgruppe um Ulrike Leistner und Gesine Grande von der Forschungsgruppe „Soziales und Gesundheit“ des Forschungs- und Transferzentrums e. V. an der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur in Leipzig. Sie sollten eine Gruppe sozial benachteiligter Personen zu einer Auswahl von Texten und anderen Elementen der Website (Stand 2013) befragen und so den Optimierungsbedarf bezüglich der sprachlichen Gestaltung, des Umfangs und der Informationstiefe, der Risikokommunikation sowie der Produktpalette identifizieren.

Verständnis scheitert oft am fehlenden Lebensweltbezug

„Uns war klar, dass unsere Texte für diese Gruppe nicht in allen Belangen optimal sind“, sagt Beate Zschorlich, die im IQWiG gemeinsam mit Ressortleiter Klaus Koch für das Projekt zuständig war. „Wir wollten aber möglichst konkret wissen, wo die Probleme für diese Zielgruppe liegen und was wir verbessern können.“

Aufgrund des Studiendesigns sind die Ergebnisse der Nutzertestung zurückhaltend zu interpretieren. Dennoch zeichnen sich Problemfelder für diese Personengruppe nun deutlicher ab als zuvor. So wünschten sich einige der Befragten kürzere Texte, eindeutige Handlungsempfehlungen und häufiger alltagspraktische Hinweise. Das Medienformat Film wurde sehr positiv bewertet.

Nicht jeder liest Texte im Internet

Bei textbasierten Gesundheitsinformationen gefielen insbesondere die übersichtliche Textstruktur und Fallbeispiele. Die Glaubwürdigkeit der Informationen wurde durchweg bestätigt. Probleme bereiteten die Fach- und Fremdwörter, die trotz Erläuterung im Text oft nicht verstanden wurden. Auch die Nennung mehrerer Behandlungsalternativen, Prozentangaben und Verneinungen von Aussagen überforderten viele.

Einige Empfehlungen, die Leistner und Grande aus der Studie abgeleitet haben, sind relativ leicht umzusetzen oder wurden bereits beim Relaunch von Gesundheitsinformation.de  im Februar 2014 berücksichtigt. Eine große Herausforderung stellt der Zugang zu dieser Zielgruppe dar. Nicht alle erreicht man über das Internet und auch nicht alle mit schriftlichen Informationen. Zwar suchen mehr als die Hälfte der Erwachsenen in Deutschland innerhalb von drei Monaten im Netz nach Gesundheitsinformationen, aber diese haben in der Regel eine höhere Bildung.

Daueraufgabe ohne Patentlösung

„Soviel wir wissen, gibt es in Deutschland keine evaluierte Strategie, um die Menschen zu erreichen, die Schwierigkeiten mit schriftlichen Gesundheitsinformationen haben“, sagt Klaus Koch. „Das ist eine Daueraufgabe, die – wenn überhaupt – nur in stetigen kleinen Schritten zu lösen ist. Auch hier ist das Ziel, Patientensouveränität durch evidenzbasierte Informationen zu stärken, statt Menschen zu bevormunden.“

Prämiertes Poster fasst das Projekt zusammen

Die Leipzigerinnen und ihre Kölner Kollegen haben ihre Studie auch bei der diesjährigen Jahrestagung des Deutschen Netzwerks Evidenzbasierte Medizin vorgestellt, die im März in Halle stattfand. Ihr Poster hatte ein charakteristisches Zitat aus der Befragung zum Titel: „Bloß diesen Sinn, kann man nicht so gut verstehen … wegen den Wörtern“. Es wurde dort mit einem ersten Preis prämiert.

Zum Ablauf der Berichtserstellung

Der vorliegende wurde in Form eines Arbeitspapiers im Rahmen des Generalauftrags erstellt. Um die wissenschaftliche Unabhängigkeit des Institutes zu stärken, hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) im Dezember 2004 einen erteilt und diesen 2006 auf Informationen zur Qualität und Effizienz des Gesundheitswesens ausgeweitet. Dieser ermöglicht es dem IQWiG, eigenständig Themen aufzugreifen und wissenschaftlich zu bearbeiten. Im Unterschied zu anderen Berichtsformen gibt es keine Fristen für die Publikation von Arbeitspapieren.

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