Stellungnahme zum Gesetzentwurf der Bundesregierung für ein Gesetz zur Weiterentwicklung der Krebsfrüherkennung und zur Qualitätssicherung durch klinische Krebsregister (Krebsfrüherkennungs- und -registergesetz - KFRG) BT-Drs. 17/11267

5. Dezember 2012

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Das IQWiG begrüßt grundsätzlich den vorgelegten Gesetzentwurf der Bundesregierung. Besonders erfreulich ist das klare Bekenntnis zu einer „informierten individuellen Entscheidung“ im Hinblick auf die Teilnahme an Krebsfrüherkennungsprogrammen und die damit verbundene konsequente Streichung von § 62 Abs. 1 Nummer 2 SGBV. Die reduzierte Belastungsgrenze im Falle einer Krebserkrankung, für die eine Früherkennungsuntersuchung nach § 25 Abs. 2 SGBV besteht, wird demnach künftig auch dann gewährt, wenn diese Untersuchung vor der Erkrankung nicht regelmäßig in Anspruch genommen wurde.

Weiterhin freuen wir uns, dass einige Anregungen aus unserer Stellungnahme zum Referentenentwurf für ein Gesetz zur Umsetzung von Empfehlungen des Nationalen Krebsplans im vorliegenden Gesetzentwurf aufgegriffen wurden.

Wir bedanken uns für die erneute Möglichkeit einer Stellungnahme, und möchten auf diesem Wege noch einige wenige Anregungen zur geplanten Gesetzesänderung geben:

  • Die Überlegungen zur Organisation des Zervixkarzinom-Screenings (als Einladungsmodell) sollten nicht losgelöst von den aktuellen Entwicklungen und Ergebnissen der HPV-Impfung erfolgen. Das Nebeneinander von zwei (Primär-) Präventionsstrategien, die beide das Ziel verfolgen, die mit Zervixkarzinom assoziierter und zu reduzieren, stellt offensichtlich eine besondere Herausforderung dar.
  • Im allgemeinen Teil der Gesetzesbegründung heißt es bei „I. Zielsetzung und Handlungsbedarf“ unter „2. Flächendeckende Etablierung klinischer “ (Seite 14):

    „Patientinnen und Patienten, Leistungserbringer, Kostenträger, Forschungseinrichtungen sowie politische Entscheidungsträger sind auf zuverlässige Informationen über die Qualität der onkologischen Versorgung angewiesen. Sie benötigen diese Informationen u.a., um die Umsetzung einer leitliniengerechten Versorgung zu prüfen, durch Leistungsvergleiche die Qualität der onkologischen Versorgung zu optimieren, um Erkenntnisse zum und zur Wirtschaftlichkeit innovativer Krebstherapien zu gewinnen sowie als Grundlage für die Versorgungsforschung und -steuerung ...“. (Hervorhebung durch die Stellungnehmer).

    Daten aus Krebsregistern werden allenfalls in Ausnahmefällen dazu geeignet sein, aussagekräftige und belastbare Erkenntnisse zum (und zur Wirtschaftlichkeit) innovativer Krebstherapien zu gewinnen. Hierfür sind, entsprechend den internationalen Standards der evidenzbasierten Medizin, in aller Regel Daten aus randomisierten kontrollierten Studien (RCT) erforderlich.

    Ähnliches gilt für die Aussage auf Seite 27 unter „VIII. Nachhaltigkeit“: „Mit den Erkenntnissen aus der klinischen Krebsregistrierung können zukünftig sämtliche Elemente der Krebsbehandlung auf ihren Erfolg hin überprüft und beurteilt werden. Auf diese Weise können z.B. unwirksame Methoden, Verfahren und Arzneimittel in der Krebsbehandlung identifiziert, verworfen und durch wirksamere Interventionen ersetzt werden“. Erkenntnisse zur Wirksamkeit bzw. Unwirksamkeit medizinischer Interventionen können in aller Regel nur aus RCT – und nicht aus Registern – gewonnen werden. Insbesondere die hohen Hürden, die das SGBV dem „Verwerfen“ von Arzneimitteln und Methoden entgegen stellt, sind durch Registerauswertungen sicher nicht zu überwinden.
  • Die Streichung der Krebsfrüherkennungsuntersuchungen aus dem § 62 ist sachgerecht und uneingeschränkt zu begrüßen. Nicht nachvollziehbar ist, warum dagegen die Gesundheitsuntersuchungen (§ 62, Abs. 1, Satz 3) weiterhin enthalten sind (laut § 25 Abs. 1 „Untersuchungen zur Früherkennung von Herz-Kreislauf- und Nierenerkrankungen sowie der Zuckerkrankheit“).

    Diese bergen – wie die Krebsfrüherkennungsuntersuchungen – auch Risiken. Ihre wissenschaftliche Grundlage war von Anfang an und ist nach wie vor umstritten und ihr nicht belegt. Dieser Sachverhalt wird durch eine gerade publizierte Übersichtsarbeit der einmal mehr eindrucksvoll bestätigt. Demnach haben solche allgemeinen Gesundheitsuntersuchungen keine positiven Effekte auf die Sterblichkeit oder die , können aber zu einer Überdiagnose führen (Krogsbøll LT, Jørgensen KJ, Grønhøj Larsen C, Gøtzsche PC, General health checks in adults for reducing morbidity and mortality from disease, The Cochrane Library 2012, Issue 10, http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/23076952; siehe auch das Editorial in der aktuellen Ausgabe des British Medical Journalhttp://www.bmj.com/content/345/bmj.e7775).

    Ein mit finanziellen Sanktionen aufgebauter Druck zur Teilnahme an solchen Untersuchungen ist daher inhaltlich nicht zu rechtfertigen und widerspricht auch dem Ziel des Gesetzes eindeutig. Denn wie es in der Gesetzesbegründung heißt (S. 33), sollte aufgrund bestehender Risiken „das Inanspruchnahmeverhalten der einzelnen Person allein durch eine ausreichende, neutrale und verständliche Information und Beratung sowie deren individuelle Werte und Präferenzen bestimmt sein und nicht durch Anreizsysteme beeinflusst werden.“

    Aus den genannten Gründen sollte diese Regelung ersatzlos gestrichen werden.

Köln 5. Dezember 2012