Stellungnahme des IQWiG zum Medizinregistergesetz
Vorbemerkung
Mit dem Medizinregistergesetz soll neben speziellen gesetzlichen Regelungen, z. B. zum Implantateregister und den klinischen Krebsregistern, ein allgemeiner gesetzlicher Rahmen für Medizinregister geschaffen werden. Das Medizinregistergesetz soll als „Brückengesetz“ die Infrastruktur für den Europäischen Raum für Gesundheitsdaten für den Bereich der Medizinregister vorbereiten.
Das Medizinregistergesetz etabliert damit Medizinregister generell als Instrument zur Verbesserung der Versorgungsqualität. Medizinregister in der im Gesetz beschriebenen Qualität sind grundsätzlich geeignet, relevante Daten zu sammeln, die mittels geeigneter Forschungsprojekte u. a. die Nutzenbewertung von Arzneimitteln, Medizinprodukten und Untersuchungs- und Behandlungsmethoden unterstützen. Damit können sie zu einer rationalen und hochwertigen Versorgung von Patientinnen und Patienten beitragen. Das Medizinregistergesetz sieht in diesem Zusammenhang wichtige Schritte zur Etablierung guter Dateninfrastrukturen vor. Das IQWiG begrüßt das Gesetz deshalb zunächst ausdrücklich.
Der derzeitige Gesetzentwurf reicht jedoch nicht aus, um eine lebendige, forschende und nachhaltige Registerlandschaft in Deutschland zu etablieren. Er fokussiert auf Register als Dateninfrastrukturen, den notwendigen Schritt der Register hin zu Forschungsinfrastrukturen lässt er jedoch weitgehend außer Acht. Die dauerhafte Datensammlung in einem Register ist jedoch kein Selbstzweck, sondern nur bei adäquater und regelhafter Nutzung für gute Forschung aus Sicht des IQWiG überhaupt angemessen. Eine hochwertige Datenqualität allein garantiert noch keine gute Forschung. Ohne diesen Folgeschritt sind Maßnahmen zur Etablierung hoher Datenqualität nicht nur unnütz, sondern potenziell schädlich, da sie erhebliche auch personelle Ressourcen binden.
Das IQWiG schlägt daher insbesondere vor, den Folgeschritt von einer Dateninfrastruktur hin zu einer Forschungsinfrastruktur im Medizinregistergesetz zu verankern. Dies sollte zum einen durch Ermöglichung hochwertiger Forschungsprojekte in qualifizierten Registern und zum anderen mittels nachhaltiger finanzieller Unterstützung qualifizierter Register nach Abschluss solcher Forschungsprojekte geschehen.
Stellungnahme im Einzelnen
1 Aufgaben des vorgesehenen Zentrums für Medizinregister (ZMR) um
Beratungsfunktion erweitern
Der vorliegende Entwurf sieht die Qualifizierung von Registern vor, die im Wesentlichen der Etablierung oder Erweiterung einer guten Dateninfrastruktur dienen, unter anderem durch Vereinfachung der Verknüpfung mit anderen Datenquellen. Es ist nachvollziehbar, dass für diese auch datenschutzrechtlichen Vorteile eine behördliche Qualifizierung erforderlich ist und das ZMR daher beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) angesiedelt werden soll. Es ist auch verständlich, dass in einem ersten Schritt die Qualifizierung allein aus einer Unterlagenprüfung ohne Audit der Register erfolgen soll, um zeitnah die derzeit bestehende Registerlandschaft zu erfassen und den Aufwand für potenzielle Forschungsprojekte in qualifizierten Registern zu reduzieren, um damit die längst überfällige lebendige Registerforschungskultur in Deutschland zu fördern, die derzeit auf wenige Leuchtturmregister beschränkt ist. Das ZMR wird allerdings erst dann einen tatsächlichen und nachhaltigen Mehrwert für die Registerlandschaft bieten, wenn es gleichzeitig mit einer Beratungsfunktion zu technischen und administrativen Fragen ausgestattet wird. Diese Beratung sollte sowohl bereits bestehenden Registern zum Zwecke der Registeroptimierung im Zusammenhang mit dem Qualifizierungsverfahren als auch neu geplanten Registern zum Zwecke einer von Beginn an effizienten Ausgestaltung des jeweiligen Registers angeboten werden.
2 Qualifizierungsinformationen erweitern und perspektivisch auditieren
Die Qualifizierung von Registern sollte perspektivisch nicht nur auf einer Unterlagenprüfung basieren, sondern durch Register-Audits ergänzt werden, um die Qualität der Register zu überprüfen. Das gilt insbesondere für solche qualifizierten Register, in denen innerhalb von z. B. drei Jahren nach Qualifizierung keine hochrangigen Forschungsprojekte durchgeführt oder zumindest begonnen wurden. Sonderrechte zu vergeben, ohne dass diese für hochwertige Forschung genutzt werden, ist weder gerechtfertigt noch im Sinne der Patientinnen und Patienten, die ihre Daten bereitstellen. Auch aus diesem Grund sollten im Qualifizierungsverfahren zusätzlich etwaige durchgeführte und laufende Forschungsprojekte erhoben und registriert und Informationen dazu über das Medizinregisterverzeichnis veröffentlicht werden.
Darüber hinaus sollte das Medizinregisterverzeichnis weitere Informationen enthalten, die Rückschlüsse über grundlegende Qualitätsanforderungen an Register erlauben:
- Gibt es ein Registerprotokoll, und ist es öffentlich zugänglich? Die öffentliche Verfügbarkeit des Registerprotokolls sollte Voraussetzung für eine Qualifizierung eines Registers sein
- Existiert ein Datenplan oder Kodierhandbuch, und ist es öffentlich zugänglich? Auch hier sollte die öffentliche Verfügbarkeit des Datenplans bzw. Kodierhandbuchs Voraussetzung für eine Qualifizierung eines Registers sein
- Ein weiterer relevanter Aspekt der Nutzbarkeit von Registern für die Forschung ist deren Flexibilität bzw. Anpassungsfähigkeit (z. B. zur Einbettung von Studien). Das Medizinregistergesetz regelt derzeit lediglich in § 11 den maximal erlaubten Umfang der erhobenen Daten. Die zeitgerechte Anpassungsfähigkeit sollte als Qualitätskriterium bei der Qualifizierung zusätzlich berücksichtigt werden.
3 Forschungsinfrastrukturen, nicht nur Dateninfrastrukturen etablieren
Die mit dem Medizinregistergesetz vorgesehene Entwicklung qualitativ hochwertiger Dateninfrastrukturen ist der wichtige und notwendige erste Schritt hin zu guter medizinischer Forschung mit Registern. Der derzeitige Gesetzentwurf ist jedoch nicht geeignet, eine lebendige forschende und nachhaltige Registerlandschaft in Deutschland zu etablieren. Er vernachlässigt weitgehend den notwendigen Schritt der Register hin zu Forschungsinfrastrukturen. Die dauerhafte Datensammlung in einem Register ist jedoch kein Selbstzweck, sondern nur bei adäquater und regelhafter Nutzung für gute Forschung
überhaupt angemessen. Eine hochwertige Datenqualität allein garantiert noch keine gute Forschung, und ohne diesen Folgeschritt sind Schritte zur Etablierung hoher Datenqualität nicht nur unnütz, sondern potenziell schädlich: Sie binden erhebliche auch personelle Ressourcen und können das Vertrauen der datenspendenden Personen in den Sinn ihrer Spende untergraben. Nur wenn Patientinnen und Patienten einen sichtbaren, echten Mehrwert erkennen, gelingt es auch, die noch fehlende, aber notwendige breite Bereitschaft zur Bereitstellung von Daten für Forschung zu sichern.
Das IQWiG schlägt vor, den Weg hin zu einer agilen Register-Forschungsinfrastruktur auf internationalem Niveau 2-stufig im Medizinregistergesetz zu verankern:
- Unterstützung und Ermöglichung hochwertiger Forschungsprojekte in qualifizierten Registern, die offene Fragen der Gesundheitsversorgung klären. Dies soll durch Finanzierungsunterstützung und Beratung einzelner Forschungsprojekte gelingen.
- Nachhaltige finanzielle Unterstützung des Betriebs qualifizierter Register, in denen solche hochwertigen Forschungsprojekte erfolgreich durchgeführt wurden
Hochwertige Forschungsprojekte in qualifizierten Registern am Beispiel neuer Arzneimittel
Das Medizinregistergesetz ist eine sinnvolle Ergänzung der Nutzenbewertung neuer Arzneimittel, die 2011 mit dem Arzneimittelmarktneurodnungsgesetz (AMNOG) etabliert wurde. Das AMNOG wurde mit dem Ziel entwickelt, die Preisbildung am Zusatznutzen eines neuen Medikaments zu orientieren und Transparenz über den Stellenwert (Vor- und Nachteile) im Vergleich zu bisherigen Therapieoptionen herzustellen und damit individuelle Therapieentscheidungen, aber auch die Entwicklung klinischer Leitlinien zu unterstützen.
Auch 14 Jahre nach Einführung der Nutzenbewertung ist allerdings festzustellen, dass in zu vielen Fällen zum Zeitpunkt der Zulassung primär Studien vorliegen, die die Fragen der Zulassungsbehörden (Kann das neue Arzneimittel eingesetzt werden?), nicht aber die der Gesundheitssysteme (Ist das neue Arzneimittel ein Fortschritt gegenüber dem bisherigen Therapiestandard?) zu beantworten. Die Situation wird dadurch verschärft, dass die
Bemühungen um beschleunigte Zulassungen den Umfang der verfügbaren Daten weiter verringern [1,2]. Dadurch ist es erforderlich, weitere Daten zu erheben, sowohl parallel zur als auch nach der Zulassung, und damit ggf. zu einem späteren Zeitpunkt eine Re-Evaluation neuer Arzneimittel vorzunehmen [3].
Darüber hinaus entsteht aus der grundsätzlich positiven Entwicklung umfänglicher neuer Therapieoptionen in einigen Therapiegebieten die Notwendigkeit und die Chance, deren Einsatz in der klinischen Versorgung zu optimieren. Untersuchungen zur Therapieoptimierung beantworten z. B. Fragen nach der richtigen Sequenz oder Dauer verschiedener Therapieansätze, um bei Ausschöpfung des Nutzens die Belastungen für Patientinnen und Patienten durch Nebenwirkungen möglichst gering zu halten. Therapieoptimierung kann auch bedeuten, vergleichbare Ergebnisse mit geringeren Ressourcen zu erreichen und so die Effizienz des Gesundheitssystems zu verbessern
Nach der Zulassung können derartige Fragen mit pragmatischen, randomisierten Studien untersucht werden [4]. Ein Beispiel für eine solche Studie ist die RECOVERY-Studie, die während der COVID-19 Pandemie die wesentlichen Therapieoptionen zur Behandlung der Erkrankung geklärt hat [5]. Medizinregister sind eine effiziente Lösung für derartige Studien, weil diese die wiederholte Nutzung bestehender Forschungs- und Dateninfrastrukturen ermöglichen und dabei auch die Erhebung von Langzeitdaten ohne Zusatzaufwand sicherstellen. Registerbasierte randomisierte Studien sind beispielsweise in den nordischen Ländern ein fester Bestandteil der Forschung, um versorgungsrelevante Fragen zu klären [6]. International setzen auch klinische Fachgesellschaften, wie die European Organisation for Research and Treatment of Cancer (EORTC), auf solche Studien, um die Behandlung von Patientinnen und Patienten zu optimieren [4].
Derartige pragmatische, randomisierte Studien zur Optimierung der in der Versorgung eingesetzten Therapieoptionen mithilfe von qualifizierten Medizinregistern sollten daher im Medizinregistergesetz adressiert und ermöglicht werden. Damit werden gleichzeitig mehrere im Medizinregistergesetz adressierte und darüber hinaus wünschenswerte Ziele erreicht:
- Weiterentwicklung der Registerlandschaft hin zu einer hohen und für Forschung geeigneten Dateninfrastruktur mit entsprechender Datenqualität
- Anhebung des Forschungsniveaus registerbasierter nationaler Forschung auf internationale und europäische Standards, auch in Vorbereitung auf die Integration in den Europäischen Gesundheitsdatenraum
- Kontinuierliche Verbesserung der Versorgung im Sinne eines lernenden Gesundheitssystems mit effizientem Mitteleinsatz in Zeiten knapper finanzieller Ressourcen
Die Durchführung solcher Studien sollte mit zwei Maßnahmen unterstützt werden:
- Beratung zur Planung und Durchführung solcher Studien durch einen Beratungshub beim Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) unter Einbindung des IQWiG
- Finanzielle Unterstützung durch Kostenübernahme bzw. -erstattung der Interventionskosten (z. B. der untersuchten hochpreisigen Arzneimittel) auf Antrag beim G-BA
Beratungshub beim G-BA und Einbindung des IQWiG
Der G-BA verfügt über langjährige Erfahrung in der Beratung zu und der Bewertung von Studienkonzepten, unter anderem durch eine entsprechende Tätigkeit im Rahmen des AMNOG und zu Erprobungsstudien im Bereich Medizinprodukte. Seit 2020 gibt es zudem dezidierte Beratungen und Verfahren zu Registern und registerbasierten Studien, die mit der Einführung der anwendungsbegleitenden Datenerhebung (AbD) notwendig wurden. Bei der Planung und Durchführung dieser Studien bringt das IQWiG seine Expertise in großem Umfang ein – durch Konzeptentwicklung, Teilnahme an der Beratung der Registerbetreibenden und pharmazeutischen Unternehmer sowie Prüfung der Studienprotokolle und statistischen Analysepläne. Diese Expertise sollte für die Weiterentwicklung der Medizinregister genutzt werden, und zwar in Form eines Beratungs-Hubs, angesiedelt bei der Geschäftsstelle des G-BA. Dieser Beratungs-Hub könnte und sollte auch jenseits der spezifischen AbD-Studien Beratung zu Registerstudien anbieten und dabei die Expertise des IQWiG einbeziehen. Neben individueller Beratung sollte der Hub auch Standards wie Musterprotokolle und Analysepläne entwickeln. Mit einem solchen Angebot könnte eine versorgungsnahe Studienplanung und damit die Entwicklung der Registerlandschaft hin zu einer effizienten und gewinnbringenden Forschungslandschaft unterstützt werden.
Ermöglichung hoch relevanter registerbasierter RCTs durch Übernahme der
Interventionskosten
Die Durchführung pragmatischer, randomisierter Studien zur Optimierung der in der Versorgung eingesetzten Therapieoptionen mithilfe von Medizinregistern stoßen derzeit auf Hindernisse: Die teilweise hohen Kosten für Arzneimitteln und Medizinprodukten, die in der Versorgung verfügbar sind, werden in solchen Studien nicht erstattet. Dabei übernehmen die Krankenkassen diese Kosten normalerweise in der Regelversorgung.
Um dieses Problem zu lösen und das Potenzial der Medizinregister für Studien zur Verbesserung der Versorgung zu nutzen, sollte für hochwertige versorgungsrelevante pragmatische, randomisierte Studien in qualifizierten Medizinregistern eine Kostenübernahme für Arzneimittel und andere Interventionen sichergestellt werden. Hierzu bietet sich eine Poolfinanzierung an, zu der marktaktive Unternehmen entsprechend ihres Umsatzes aus GKV- und PKV-Verordnungen beitragen sollten (siehe auch weiter unten).
Als zusätzliche Option zweiter Wahl könnte die Kostenübernahme aus GKV- und PKV-Mitteln erwogen werden. Voraussetzung wäre ein Nachweis im jeweils notwendigen Antragsverfahren, dass die durch die Studie zu erwartenden Versorgungskosten der Patienten außerhalb der Studie nicht überschreiten und mit der Studie auch keine andere (insbesondere kostenintensive) Therapie induziert wird.
Unabhängig vom Finanzierungsmechanismus sollte Voraussetzung für die Kostenübernahme eine positive Beurteilung des G-BA im Rahmen eines Antragsverfahrens sein. Die Beurteilung sollte Aufgabe des oben skizzierten Beratungs-Hubs sein, um mit den Beratungen konsistente und zudem zeitnahe Entscheidungen zu solchen Anträgen zu gewährleisten.
Nachhaltige Finanzierung qualifizierter Register mit Forschungsexpertise durch
Poolfinanzierung
Zum Aufbau qualitativ hochwertiger Register sind umfangreiche finanzielle Investitionen erforderlich. Forschungsexpertise entsteht in Folge durch hochwertige Forschungsprojekte mit Investitionen insbesondere im n organisatorischen und personellen Bereich. Es sollte nicht nur in Zeiten knapper Ressourcen von überragendem Interesse sein, solche Investitionen zu sichern. Denn mit vergleichsweise geringem Aufwand lassen sich so wiederholt hochwertige Folgeprojekte unter Nutzung der bestehenden Strukturen durchführen. Der Übergang von Dateninfrastrukturen zu Forschungsinfrastrukturen ist ohne eine nachhaltige Finanzierung nicht möglich.
Es ist dabei weder effizient noch verlässlich noch nachhaltig, wenn die einzelnen Betreiber wiederkehrend in Einzelverhandlungen mit interessierten Unternehmen treten und Einzelverträge mit beschränkter Laufzeit abschließen. Das IQWiG schlägt daher vor, mit dem Medizinregistergesetz eine Poolfinanzierung für qualifizierte Register mit zusätzlicher Forschungsexpertise einzuführen. Konkret könnten zunächst alle Unternehmen, die mit patentgeschützten, im AMNOG bewerteten Arzneimittel einen Umsatz jenseits der Freistellungsgrenze von derzeit 1 Mio. € jährlich erzielen, 1 % dieses Umsatzes in den Pool einbringen. Dabei kann der Prozentsatz auf 0,5 % gesenkt werden, wenn die Unternehmen bereits eigenständig die notwendigen vergleichenden Studien für den Marktzugang durchgeführt haben, die im AMNOG-Verfahren bewertet werden. Diese Poolfinanzierung hätte auch für die Unternehmen selbst erhebliche Vorteile. Denn durch die nachhaltige Finanzierung hochwertiger Register stehen zukünftig verlässlich Forschungsinfrastrukturen bereit, die von den Unternehmen auch für die Erfüllung von Zulassungsauflagen genutzt werden können (insbesondere Post-Authorisation Safety und Efficacy Studies, PASS bzw. PAES). Neben diesem Vorteil für die Unternehmen selbst stärkt dies auch den Forschungsstandort Deutschland und erhöht die Attraktivität Deutschlands für die frühe Markteinführung neuer Wirkstoffe, da z. B. PASS-Studien in der Regel nach Markteinführung als versorgungsnahe Studien durchgeführt werden.
Perspektivisch sollte die Poolfinanzierung auch um entsprechende Beiträge anderer Unternehmen mit Marktpräsenz und Erstattung in Deutschland erweitert werden. Klein- und mittelständische Unternehmen aus diesen Bereichen könnten dann auch die Expertise des skizzierten Beratungs-Hubs in Anspruch nehmen und so effizient die gesetzlichen Anforderungen für zukünftige Erstattungen mit hochwertigen registerbasierten Studien adressieren. Beispielhaft wären hier Hersteller sogenannter „Sonstiger Produkte zur Wundbehandlung“ zu nennen, für die gemäß §31 Absatz 1a SGB V der Nutzen nachzuweisen ist. Wichtige Aspekte solcher Studien, die für registerbasierte RCTs genutzt werden können, hat das IQWiG kürzlich im Auftrag des G-BA dargelegt [7].
4 Weitere Anmerkungen
Publikationspflicht
Qualifizierte Medizinregister erhalten durch das Gesetz die Befugnis zur Verarbeitung der von ihnen erhobenen Daten. Diese Verarbeitung ist zweckgebunden, ein Zweck ist die Verbesserung der Qualität der Versorgung. Eine solche Verbesserung kann nur erreicht werden, wenn die Ergebnisse der Forschung mit Registerdaten öffentlich verfügbar sind. Die Berechtigung zur Datenverarbeitung sollte deshalb eine Verpflichtung zur Registrierung der mit diesen Daten durchgeführten Studien und zur Veröffentlichung der Ergebnisse dieser Studien enthalten. Diese Registrierung und Ergebnisveröffentlichung kann mit geringem Aufwand in Studienregistern vorgenommen werden. Die Registrierung der Auswertungen der Daten sollte auch in der Veröffentlichung der Anträge auf Datenübermittlung des Zentrums für Medizinregister nach §17 (6) verlinkt sein.
Grenzüberschreitende Datennutzung ermöglichen
Die Zielformulierung des Gesetzentwurfs beschreibt das Gesetz als „Brückengesetz“ für die vorgesehene Infrastruktur für den Europäischen Raum für Gesundheitsdaten für den Bereich der Medizinregister. Die Perspektive grenzüberschreitender Studien auf Basis von Medizinregistern ist ausdrücklich zu begrüßen. Insbesondere Studien zu seltenen Erkrankungen sind nicht sinnvoll ausschließlich innerhalb Deutschlands durchzuführen. Auch andere Studien in Medizinregistern, wie z. B. Therapieoptimierungsstudien, sind schneller und zielführender möglich, wenn sich mehrere europäische Länder beteiligen. Die Möglichkeit, die Regelungen des Gesetzes auch in grenzüberschreitenden Kooperationen zu nutzen, sollte deshalb explizit geregelt werden. Das würde auch den Anschluss deutscher Medizinregister und Studienzentren an internationale Forschungskonsortien ermöglichen. Aktuell wird die Beteiligung deutscher Studienzentren an solchen Studien durch die Rahmenbedingen für diese Studien behindert.
Föderierte Analysen in Registern
Eine Alternative zur Übermittlung von Daten aus den Registern sind föderierte Analysen. Für diese Analysen greifen Auswertungsprogramme auf verschiedene Datenzentren/Register zu und führen die Auswertungsergebnisse zusammen ohne dass die Daten selbst übermittelt werden. Projekte zu diesen Analysen werden bereits vom BMFTR gefördert (z. B. https://www.gesundheitsforschung-bmftr.de/de/foderierte-analytik-und-maschinelleslernen-16495.php).
Die Regelungen zur Datennutzung sollten auch diese Art der Auswertung der Registerdaten berücksichtigen.
Referenzen
| 1) Wieseler B, McGauran N, Kaiser T. New drugs: where did we go wrong and what can we do better? BMJ 2019; 366 :l4340. https://doi.org/10.1136/bmj.l4340 |
| 2) Bloem LT, Schelhaas J, López-Anglada L, Herberts C et al. European Conditional Marketing Authorization in a Rapidly Evolving Treatment Landscape: A Comprehensive Study of Anticancer Medicinal Products in 2006–2020. Clin Pharmacol Ther 2023; 114: 148-160. https://doi.org/10.1002/cpt.2906 |
| 3) Sachverständigenrat Gesundheit & Pflege. Preise innovativer Arzneimittel in einem lernenden Gesundheitssystem [online].2025 [Zugriff 20.11.2025]. URL: https://www.svrgesundheit.de/fileadmin/Gutachten/Gutachten_2025/SVR_Gutachten_2025.pdf |
| 4) Cardoso Borges F, van der Graaf WTA, Saesen R, et al. Defining the role of pragmatic clinical trials in cancer clinical research: outcomes of a collaborative workshop hosted by the European Organisation for Research and Treatment of Cancer. Lancet Oncol 2025 May;26(5):e253-e263. https://doi.org/10.1016/S1470-2045(24)00756-3 |
| 5) Peto L, Horby P, Landray M. Establishing COVID-19 trials at scale and pace: Experience from the RECOVERY trial. Adv Biol Regul 2022 Dec:86:100901. https://doi.org/10.1016/j.jbior.2022.100901 |
| 6) Clinical Studies Sweden. Registry-based randomised clinical trials (R-RCT) https://kliniskastudier.se/english/research-support/r-rct |
| 7) Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen. Wissenschaftliche Ausarbeitung zu klinischen Studien im Therapiegebiet Wundbehandlung; Finaler Rapid Report [online]. 2025 [Zugriff 20.11.2025]. URL: https://doi.org/10.60584/A24-61 |