01.12.2014

Propranolol bei proliferativem infantilem Hämangiom: Hinweis auf erheblichen Zusatznutzen bei bestimmten Patienten

Studie schloss nur Kinder ein, bei denen Gefahr von Narben oder Entstellung bestand / Für weitere Teilpopulationen kein Zusatznutzen belegt

Ob Propranolol bei Säuglingen mit proliferativen infantilen Hämangiomen (Blutschwämmchen) einen gegenüber der zweckmäßigen Vergleichstherapie bietet, hat das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) in einer Dossierbewertung untersucht.

Demnach gibt es bei einem Teil der betroffenen Kinder – nämlich solchen, bei denen das Hämangiom die Gefahr von bleibenden Narben oder Entstellung mit sich bringt – einen Hinweis auf einen erheblichen durch Propranolol. Für Kinder, deren Hämangiom lebens- oder funktionsbedrohend ist oder ulzeriert ist und dabei Schmerzen verursacht oder nicht auf einfache Wundpflegemaßnahmen anspricht, ist ein dagegen nicht belegt, weil aussagekräftige Daten fehlen.

Nicht jedes Hämangiom erfordert systemische Therapie

Propranolol ist ein Betablocker, der unter anderem zur Behandlung von Bluthochdruck eingesetzt wird. Seit April 2014 ist er unter dem Handelsnamen Hemangiol auch zur Behandlung von Säuglingen zugelassen, die ein behandlungsbedürftiges proliferatives infantiles Hämangiom haben und zu Beginn der Therapie fünf Wochen bis fünf Monate alt sind. Infantile Hämangiome treten bei schätzungsweise drei bis fünf Prozent aller Neugeborenen auf. Aber nur bei einem kleinen Teil ist eine systemische Therapie erforderlich: wenn das Hämangiom lebens- oder funktionsbedrohend ist, wenn es ulzeriert ist und dabei Schmerzen verursacht oder nicht auf einfache Wundpflegemaßnahmen anspricht oder wenn es die Gefahr von bleibenden Narben oder Entstellung mit sich bringt.

Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat für diese Indikationen eine patientenindividuell ausgerichtete Behandlung als zweckmäßige Vergleichstherapie festgelegt. Der Hersteller hat diese Vergleichstherapie in seinem Dossier als abwartendes Vorgehen konkretisiert.

Placebo-Arm als abwartendes Vorgehen akzeptiert

Im Herstellerdossier sind Daten aus einer relevanten doppelblinden, placebokontrollierten Zulassungsstudie (V00400SB 201) enthalten, in die Kinder im Alter von 35 bis 150 Tagen eingeschlossen waren, bei denen die Gefahr von bleibenden Narben oder Entstellung durch das Hämangiom bestand. Für die übrigen Indikationen konnten keine Aussagen über einen von Propranolol getroffen werden.

Durch eine regelmäßige ärztliche Kontrolle und Beobachtung des Krankheitsverlaufs war gewährleistet, dass bei Kindern aus dem Placebo-Arm notwendige Therapiemaßnahmen eingeleitet wurden, sobald dies medizinisch angezeigt war. Daher wurde dieser Studienarm als abwartendes Vorgehen und im Sinne einer individuell ausgerichteten Behandlung akzeptiert.

Sichtbarer Teil des Hämangioms bildet sich stärker zurück

Das Hauptziel der Studie war die Beurteilung der Rückbildung des Zielhämangioms, die auf zwei Arten ermittelt wurde. Zum einen wurde die Rückbildung der äußerlich sichtbaren Komponente des Hämangioms anhand von Fotografien zentralisiert ausgewertet. Zum anderen beurteilte der Prüfarzt in einer klinischen Untersuchung (gegebenenfalls unter Zuhilfenahme von Fotografien), inwieweit sich sowohl der sichtbare als auch der tiefer liegende Teil des Hämangioms zurückgebildet hatte. Ein Hinweis auf einen erheblichen von Propranolol zeigte sich ausschließlich beim „vollständige oder nahezu vollständige Rückbildung der sichtbaren Komponente des Zielhämangioms“.

Für einige der patientenrelevanten Endpunkte ergaben sich keine Belege für einen  – teils weil sie nicht untersucht wurden oder keine verwertbaren Daten vorlagen, teils weil es keine statistisch signifikanten Unterschiede zwischen den Behandlungsgruppen gab. Das traf zu für die , die Zeit bis zur ersten anhaltenden vollständigen oder nahezu vollständigen Rückbildung des Zielhämangioms, Komplikationen des Zielhämangioms, die gesundheitsbezogene Lebensqualität, schwerwiegende unerwünschte Ereignisse und Bronchospasmus.

Positive Effekte überwiegen

Behandlungsabbrüche wegen unerwünschter Ereignisse kamen zwar im Placebo-Arm statistisch signifikant häufiger vor. Dabei wurden jedoch auch Ereignisse erfasst, die auf eine Verschlechterung des Hämangioms oder eine Nichtwirksamkeit der Studienmedikation zurückzuführen waren. Daher konnte aus diesem lediglich abgeleitet werden, dass Propranolol keinen größeren Schaden mit sich bringt als die Vergleichstherapie. Bei den Endpunkten „Infektionen und parasitäre Erkrankungen“ und „Diarrhö“ ließ sich dagegen ein möglicher Schaden von Propranolol nicht völlig ausschließen.

In der Gesamtschau führten die möglichen, überwiegend als nicht schwerwiegend eingeschätzten negativen Effekte nicht zu einer Herabstufung des positiven Effekts bei der Rückbildung des sichtbaren Teils des Zielhämangioms. Somit ergibt sich ein Hinweis auf einen erheblichen für Kinder, bei denen die Gefahr von bleibenden Narben oder Entstellung besteht und für die das abwartende Vorgehen im Sinne individuell ausgerichteter Behandlung infrage kommt.

Bei Kindern, deren Hämangiome lebens- oder funktionsbedrohend sind sowie ulzeriert sind und Schmerzen verursachen oder nicht auf einfache Wundpflegemaßnahmen ansprechen, ist ein von Propranolol gegenüber der zweckmäßigen Vergleichstherapie hingegen nicht belegt.

G-BA beschließt über Ausmaß des Zusatznutzens

Die Dossierbewertung ist Teil des Gesamtverfahrens zur frühen Nutzenbewertung gemäß Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG), das der leitet. Nach der Publikation von Herstellerdossier und Dossierbewertung führt der ein Stellungnahmeverfahren durch, das ergänzende Informationen liefern und in der Folge zu einer veränderten Nutzenbewertung führen kann. Der trifft einen Beschluss über das Ausmaß des Zusatznutzens, der die frühe Nutzenbewertung abschließt.

Einen Überblick über die Ergebnisse der Nutzenbewertung des IQWiG gibt folgende Kurzfassung. Auf der vom IQWiG herausgegebenen Website gesundheitsinformation.de finden Sie zudem eine allgemeinverständliche Kurzinformation.

Auf der Website des sind sowohl allgemeine Informationen zur Nutzenbewertung nach §35a SGB V als auch zur Bewertung von Propranolol zu finden.

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