09.06.2021

Kniearthrose: Wann kommt ein Gelenkersatz infrage? Gibt es Alternativen? IQWiG legt Entscheidungshilfe vor

Unterstützung für Betroffene bei der Entscheidung für oder gegen eine Gelenkersatzoperation.

Porträtfoto unseres Mitarbeiters Roland Büchter

Das IQWiG hat im Auftrag des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) eine Entscheidungshilfe zu Gelenkersatzoperationen bei Kniegelenkarthrose erstellt. Diese soll Betroffene dabei unterstützen, sich gemeinsam mit ihrer Ärztin bzw. ihrem Arzt für oder gegen bestimmte Behandlungsoptionen bei Kniegelenkarthrose zu entscheiden.

Die Entscheidungshilfe ist Teil des gesetzlich festgelegten Zweitmeinungsverfahrens: Bei vielen Krankheiten gibt es mehr als eine Behandlungsmöglichkeit. Oft ist aber keine der Alternativen ideal, jede hat ihre Vor- und Nachteile. Dann hängt es stark von der persönlichen Situation und den eigenen Wünschen ab, was die beste Wahl ist. Einen zweiten Arzt zu befragen, kann bei der Entscheidung helfen. Seit 2015 haben gesetzlich Krankenversicherte Anspruch auf das Einholen einer ärztlichen Zweitmeinung bei festgelegten planbaren Operationen.

2019: 194.000 Kniegelenkersatz-Operationen

Es ist nicht genau bekannt, wie viele Menschen eine Kniearthrose haben. In Deutschland geben etwa vier Prozent aller Erwachsenen an, von einer ärztlich behandelten Kniearthrose betroffen zu sein. Die Häufigkeit nimmt mit dem Alter zu und steigt etwa ab dem 40. Lebensjahr stetig an.

Die Zahl der Kniegelenkersatz-Operationen steigt in Deutschland seit 2013 kontinuierlich an, im Jahr 2019 wurden bundesweit knapp 194.000 Implantationen durchgeführt. Dabei werden die Operierten immer jünger. Auffallend ist auch, dass die Operationshäufigkeiten je nach Wohnort sehr unterschiedlich sind.

Kniearthrose kann unterschiedlich verlaufen, wobei die Beschwerden meist über viele Jahre eher langsam zunehmen oder sogar stabil bleiben. Kniearthrose kann aber auch in Schüben auftreten – dann wechseln sich Phasen stärkerer Beschwerden mit beschwerdefreien oder beschwerdearmen Phasen ab. Nur bei einem kleinen Teil der Menschen mit Kniearthrose sind die Beschwerden irgendwann so stark, dass sie sich für einen Eingriff entscheiden.

Heilen lässt sich Arthrose nicht. Es gibt aber verschiedene Möglichkeiten, die Beschwerden zu lindern. Ein wichtiger Baustein der konservativen (= nicht operativen) Therapie ist die Bewegungstherapie, weil gut ausgebildete Muskeln das Kniegelenk stabilisieren und schützen. Zudem erreichen die Nährstoffe aus der Gelenkflüssigkeit den Knorpel nur durch Druck – etwa beim Gehen oder gezielten Training.

Die Bewegungstherapie kann je nach Bedarf durch weitere Behandlungsoptionen wie u. a. Schmerztherapie, Gewichtsreduktion oder Hilfsmittel (Schuheinlagen, Kniebandagen oder -schienen) ergänzt werden.

Ein Gelenkersatz kommt infrage, wenn über mehrere Monate starken Schmerzen bestehen, die die Lebensqualität beeinträchtigen – und wenn eine konservative Therapie die Beschwerden nicht ausreichend lindern kann. Bei dieser Operation wird das natürliche Kniegelenk ganz oder teilweise durch eine Prothese aus Metall und Kunststoff ersetzt.

Entscheidungshilfe des IQWiG

Die jetzt vorgelegte Entscheidungshilfe des IQWiG beschreibt die verschiedenen Behandlungsmöglichkeiten bei Kniearthrose. Sie unterstützt Patientinnen und Patienten bei der Entscheidung zwischen Kniegelenkersatzoperation und konservativen Therapien.

„Ein Gelenkersatz kann fortgeschrittene Kniearthrose bei den meisten Betroffenen sehr wirksam lindern – aber natürlich hat so ein großer Eingriff auch Risiken. Zudem wissen wir aus Studien, dass eine gute konservative Behandlung helfen kann, eine Operation mehrere Jahre hinauszuzögern oder sogar ganz zu vermeiden. Unsere Entscheidungshilfe soll die wichtigsten Alternativen aufzeigen und das ausführliche Gespräch mit der behandelnden Ärztin bzw. dem behandelnden Arzt unterstützen“, betont Roland Büchter aus dem IQWiG-Ressort Gesundheitsinformation.

Ergänzende Informationen zu Nachoperationen

Etwa fünf bis zehn Prozent der eingesetzten künstlichen Kniegelenke werden innerhalb von zehn Jahren nachoperiert. Dabei lässt sich auch die Frage, ob bei Problemen mit der Prothese wirklich ein zweiter Eingriff nötig ist, nicht immer leicht beantworten. Daher gibt es für die Nachoperation ebenfalls das Recht auf eine zweite Meinung.

Für diese Situation hat das IQWiG in der Rubrik „Mehr Wissen“ auf gesundheitsinformation.de einen eigenen Text mit dem Titel „Probleme mit der Knieprothese: Wann ist eine Nachoperation nötig?“ erstellt, das ausführlich beschreibt, wann eine Nachoperation tatsächlich notwendig ist oder doch vermieden werden könnte.

Wie läuft das Zweitmeinungsverfahren ab?

Die Entscheidungshilfe ist ein Baustein des seit 2015 gesetzlich festgelegten Zweitmeinungsverfahrens. Das bedeutet: Eine Ärztin oder ein Arzt, die/der einen planbaren Eingriff empfiehlt, muss die Betroffenen auf ihr Recht hinweisen, diese Behandlungsentscheidung noch einmal kostenfrei mit Spezialisten einer anderen Praxis oder Klinik besprechen zu können.

Für welche planbaren Eingriffe das Zweitmeinungsverfahren gilt, entscheidet der . Bislang besteht ein vom geregelter Zweitmeinungsanspruch bei Operationen an den Gaumen- und/oder Rachenmandeln (Tonsillektomien, Tonsillotomien), bei Gebärmutterentfernungen (Hysterektomien), arthroskopischen Eingriffen am Schultergelenk und bei Amputationen beim Diabetischen Fußsyndrom.

Zum Projektverlauf

Der hatte das Institut am 15. Oktober 2020 mit der Erstellung der Entscheidungshilfe zu Gelenkersatzoperationen bei Kniearthrose beauftragt.

Die Entscheidungshilfe wurde nach den Allgemeinen Methoden des IQWiG erstellt und hat eine Nutzertestung und Stellungnahme durchlaufen. Sie wird auf der IQWiG-Website gesundheitsinformation.de veröffentlicht und im Rahmen der üblichen Aktualisierung spätestens nach drei Jahren auf Aktualität überprüft und bei Bedarf angepasst.

Weitere Informationen

Das IQWiG hat in früheren Aufträgen bereits Entscheidungshilfen zu Gebärmutterentfernung, Mandeloperation, Schultereingriffen und zu Amputationen beim diabetischen Fußsyndrom erstellt.

Diese Entscheidungshilfen sind auf der Website gesundheitsinformation.de in umfassende Themenpakete zu den jeweiligen Erkrankungen eingebunden. Die Entscheidungshilfen lassen sich dort als PDF herunterladen und kostenfrei in beliebiger Menge ausdrucken.

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