Publikationen in Fachzeitschriften

Orphan Drugs: Stärkere Orientierung am medizinischen Bedarf notwendig

Ein Team aus dem IQWiG hat Nutzenbewertungen von Orphan Drugs aus gut 10 Jahren analysiert. Onkologische Indikationen sind überrepräsentiert, obwohl hier in den meisten Fällen bereits aktive Behandlungsmöglichkeiten existieren.

Die Zahl der Zulassungen von Arzneimitteln für seltene Erkrankungen (Orphan Drugs) ist in Europa in den vergangenen 20 Jahren deutlich angestiegen. Das ist auch die Folge einer Förderung der Entwicklung auf europäischer Ebene. Damit sollte eigentlich die Entwicklung von Wirkstoffen gegen bisher nicht oder sehr unzureichend behandelbare seltene Erkrankungen gefördert werden.

Bereits Anfang 2022 hatte das IQWiG in einem Beschlüsse zu Orphan-Drug-Nutzenbewertungen ausgewertet und dabei in etwa der Hälfte der Fälle letztlich keinen gegenüber der Standardbehandlung festgestellt. In einer neuen Publikation im International Journal of Technology Assessment in Health Care legt ein IQWiG-Team unter der Leitung von Philip Kranz nun weitergehende Analysen vor.

Für 58 Prozent der untersuchten Fragestellungen standen zum Zeitpunkt der Bewertung bereits aktive Therapien zur Verfügung. In onkologischen Indikationen war dies für 88 Prozent, in nicht onkologischen Indikationen hingegen nur für 24 Prozent der Fragestellungen der Fall. Zudem waren onkologische Indikationen – in denen im Allgemeinen die Preise besonders hoch sind – bei den Zulassungen stark überrepräsentiert, während es für viele andere seltene Erkrankungen nach wie vor keine neuen Wirkstoffe gibt. Die Wahrscheinlichkeit eines Zusatznutzens in regulären Nutzenbewertungen von Orphan Drugs mit nicht onkologischen Indikationen war höher als bei neuen Wirkstoffen gegen seltene Krebserkrankungen. Die Wahrscheinlichkeit für einen Zusatznutzen steigt also, sofern bisher keine aktiven Behandlungsmöglichkeiten existieren.

Kranz P, McGauran N, Ünal C, Kaiser T. Results of health technology assessments of orphan drugs in Germany—lack of added benefit, evidence gaps, and persisting unmet medical needs. International Journal of Technology Assessment in Health Care. 2024;40(1): e68.

Suchstrategien in systematischen Übersichten: IQWiG entwickelt öffentlich verfügbare App

Um die richtigen Begriffe für Strategien zur systematischen Suche in bibliografischen Datenbanken zu ermitteln, wurde im IQWiG bisher eine Software eingesetzt, die primär für andere Zwecke gedacht ist und daher unflexibel war.

Deswegen starteten Mitarbeitende des IQWiG-Ressorts Informationsmanagement 2022 ein Projekt mit dem Ziel, selbst ein Werkzeug zu entwickeln, das flexibel und dennoch genau auf den Anwendungsfall zugeschnitten ist. Als Programmiersprache wählten sie „R“ – eine einsteigerfreundliche Sprache zur Erstellung grafischer Benutzeroberflächen, für die es bereits viele frei verfügbare Open-Source-Packages gibt, auf die auch das Team zurückgreifen konnte.

Da das IQWiG-Team bei der Entwicklung auf die Open-Source-Packages anderer zurückgreifen konnte, steht die App unter einer freien Lizenz, kann also auch von anderen verwendet und an die jeweils eigenen Anforderungen angepasst werden. Im Juni 2023 veröffentlichte das IQWiG daher den Quellcode zur App zusätzlich in GitHub, einem offenen Repositorium für die kollaborative Softwareentwicklung. 2024 schließlich hat das Team in der Zeitschrift Cochrane Evidence Synthesis and Methods beschrieben, wie die neue „Shiny App“ funktioniert und wie sie auch von anderen genutzt werden kann.

Kapp C, Fujita‐Rohwerder N, Lilienthal J et al. The searchbuildR shiny app: A new implementation of the objective approach for search strategy development in systematic reviews. Cochrane Evidence Synthesis and Methods 2024; 2(6).

Tabakentwöhnung

Raucherinnen und Raucher mit schwerer Tabakabhängigkeit sollen laut einer neuen gesetzlichen Regelung einmalig im Rahmen von evidenzbasierten Programmen Arzneimittel zur Tabakentwöhnung auf Kosten der gesetzlichen Krankenversicherung erhalten können. Vor diesem Hintergrund hatte das IQWiG im Auftrag des Gemeinsamen Bundesausschusses eine Nutzenbewertung von vier Arzneimitteln vorgenommen, die bei der Suchtbekämpfung der schweren Tabakabhängigkeit helfen sollen: Bupropion, Cytisin, Nicotin und Vareniclin.

Im Deutschen Ärzteblatt erläutern die IQWiG-Autorinnen und Autoren nun gemeinsam mit Sabrina Kastaun vom Institut für Allgemeinmedizin (ifam) in Düsseldorf die Ergebnisse ihrer Metaanalyse und widmen sich dabei insbesondere der Frage, ob ein positiver Behandlungseffekt der Arzneimittel von der Schwere der Tabakabhängigkeit abhängt.

Belege für einen gegenüber keiner medikamentösen Therapie hatten die vorliegenden Studien dabei für die Behandlung mit Nicotin und Vareniclin gezeigt. Auffällig ist, dass der positive der Wirkstoffe Vareniclin und Nicotin hinsichtlich des Erreichens einer dauerhaften Rauchfreiheit unabhängig vom Schweregrad der Tabakabhängigkeit besteht. Für Bupropion, Cytisin sowie verschiedene Kombinationen der genannten Wirkstoffe fehlten jedoch die entsprechenden Daten.

Selbach C, Siebel C, Lilienthal J et al. Weaning from tobacco with nicotine or varenicline in severe and mild tobacco dependence—findings of a meta-analysis. Dtsch Arztebl Int 2025; 122: 7-11.

weitere Informationen des IQWiG:

Jahresbericht 2024