IQWiG-Jahresgespräch 2024: Transkript
AnL: Herzlich willkommen zum IQWiG-Jahresgespräch! Und das ist jetzt wirklich was Neues. Es ist neu, und es ist gleichzeitig ein Versuch: 365 Tage, haben wir uns vorgenommen, gut in einer halben Stunde abzuhandeln. Der IQWiG-Jahresbericht 2024, der wird ja erstmals komplett digital veröffentlicht. Und was eben in einer Printausgabe nicht möglich ist, das wollen wir heute möglich machen, nämlich ein Resümee, eine Bilanz, einen Rückblick, einen Ausblick in einem Gespräch mit der Institutsleitung des IQWiG. Ich bin Andreas Lange, und mit mir am Tisch sind Dr. Thomas Kaiser und Doktorin Michaela Eikermann, Leiter und stellvertretende Leiterin des IQWiG in Köln. Hallo zusammen.
MiE: Hallo Andreas.
TK: Hallo Andreas.
AnL: Thomas, also auf die wichtigsten Entwicklungen, Ereignisse kommen wir noch zu sprechen, haben wir ein bisschen Zeit, aber wenn du jetzt so aus dem langen Jahr 2024 nur ein einziges nennen dürftest, was ist dein Highlight? Was ist am am stärksten hängen geblieben bei dir?
TK: Also für mich hängen geblieben ist etwas, was tatsächlich aber das ganze Jahr betrifft, nämlich, dass sich die Wahrnehmung des IQWiG als offene, kompetente, nahbare und konstruktiv unterstützende Institution verändert hat. Wir haben da ganz bewusst verschiedene Maßnahmen getroffen: Wir haben Veranstaltung geändert. Wir sind nach Berlin gegangen, wir sind in der politischen Diskussion und im Austausch, und ich bekomme das bei meinen vielfältigen Berlin-Terminen immer wieder gespiegelt, dass das auch so wahrgenommen wird. Und das ist für mich tatsächlich das persönliche Highlight, dass wir für die Entwicklung des IQWiG auch für die Zukunft da so eine Veränderung hinbekommen haben.
AnL: Jetzt ist Öffentlichkeit ein großes Wort.
TK: Mh-mh.
AnL: Also, welche Teile der Öffentlichkeit sind es denn, wo du den Eindruck hast, dass die ... dass das IQWiG da größeren Impact, dass das IQWiG besser wahrgenommen wird?
TK: Das sind sowohl Fachöffentlichkeit, also Fachgesellschaften, es ist auch die Industrie, es sind auch unsere Gremien. Also, ich nehme das wahr in Gesprächen mit Vertretern des Spitzenverbandes, mit Vertretern der Kassenärztlichen Bundesvereinigung - und aber auch insbesondere mit politisch Tätigen, sowohl auf der Fachebene des Gesundheitsministeriums, aber auch mit einzelnen Politikern und Politikerinnen.
AnL: Und "mehr wahrgenommen" heißt auch "ernster genommen"?
TK: Ja, so nehme ich das auch wahr. Wir haben ganz sicherlich ja auch später noch die Gelegenheit, zu so einzelnen Themen zu kommen. Und wenn ich sehe, wie beispielsweise ein Bericht zu einem Screening-Verfahren wahrgenommen wurde, muss ich sagen, wir werden auf einer ganz anderen Ebene als ... und das ist für mich wichtig ... als konstruktiv unterstützende Organisation wahrgenommen, eben nicht als meckernde, sondern als konstruktiv unterstützende.
AnL: Michaela, dein Highlight, wenn du eins nennen dürftest in diesem Jahr 2024?
MiE: Na ja, ich glaube, wenn du mich nach meinem persönlichen Highlight fragst, ist es natürlich ein bisschen naheliegend. Ich habe im Juni letzten Jahres diese Stelle antreten dürfen und das ist natürlich schon was Tolles. Also, dass sowohl Thomas Kaiser als auch unsere Gremien mir da das Vertrauen ausgesprochen haben. Und du weißt, ich bin schon lange an verschiedenen Stellen dafür unterwegs, dass ich für eine evidenzbasierte Gesundheitsversorgung stehe und mich dafür einsetze. Und wenn das so ist, dann ist es einfach fachlich total toll, dass man das jetzt an dieser Stelle kann. Das ist persönlich sehr erfüllend, und dass ich jetzt hier meine ... meine fachlichen Kenntnisse einbringen kann, meine Führungserfahrung einbringen kann in dem Institut, was jetzt schon so lange so erfolgreich arbeitet, das ... das ist schon toll. Und da habe ich mich wahnsinnig drüber gefreut, und das ist auch eine tolle Herausforderung. Also, ich sehe das jetzt natürlich auch schon in der Zeit, die vergangen ist, dass hier einfach ganz viele Dinge zu tun sind, dass man viele Dinge bewegen kann, dass man, ja, an ganz vielen verschiedenen Stellen etwas ... etwas tun kann, sich einbringen kann. Das ist schon toll und das wäre tatsächlich mein persönliches Highlight 2024.
AnL: Dann kommen wir auf den Jahresbericht. Das ist ja nicht Kleines, 365 Tage in gut einer halben Stunde wollen wir hier ... das ist ein Ritt über den Bodensee. Alles können wir nicht abhandeln, alles kann nicht zur Sprache kommen, aber so drei Themenbereiche, die habe ich mir so überlegt und habe die so mal auf ganz Kölsch überschrieben, nämlich "fiere, politisiere un spekuliere". Also, Feiern war, glaube ich, viel letztes Jahr; da kommen wir drauf: Es gab ein Umzug zu feiern, es gab ein Jubiläum. Politisieren tut das IQWiG immer, Thomas, das hat wieder was zu tun mit der Wahrnehmung, über die du gesprochen hast. Und da ist so die Hauptfrage, nicht: Wo ist der Impact, den das IQWiG im vergangenen Jahr hatte, auf das Gesundheitswesen, auf Gesundheitspolitik, Versorgung und natürlich auch ganz konkret auf die Situation von Patientinnen und Patienten. Und spekulieren wollen wir auch noch ein bisschen, der Ausblick soll natürlich nicht fehlen. Wohin geht die IQWiG-Reise? Was wird wichtig dieses Jahr, im nächsten Jahr, aber auch in den nächsten Jahren? Fangen wir mal mit den schönen Sachen an, den Feiern. 20 Jahre. Tada, da gab's ein großes Jubiläum, haben alle mitgefeiert.
TK: So ist es. 20 Jahre IQWiG und für mich persönlich. Ich bin ja eine von zwei Personen, die noch im IQWiG sind und die beim ersten Tag schon dabei waren. Der andere ist Ralf Bender als Leiter Biometrie. Und das 20-jährige Jubiläum haben wir auch dafür genutzt, uns als IQWiG, als Institution, aber auch als Menschen, weil wir sehr umfangreich dort auch anwesend selber waren, in Berlin zu präsentieren. Wir haben also seit langer Zeit mal wieder ein parlamentarischen Abend gemacht. Das war sowohl für uns eine sehr gute Erfahrung, als auch gespiegelt für diejenigen, die an der Veranstaltung teilgenommen haben, etwas sehr Gutes, also, dass das IQWiG sichtbarer war. Und wir haben so ein besonderes Herbst-Symposium gemacht, das Herbst-Symposium sowohl inhaltlich besonders von den Themen, aber eben auch das ... in der Abendveranstaltung dazu genutzt, mit allen Mitarbeitenden und dann eben auch den Teilnehmern und Teilnehmerinnen des Herbst-Syposiums zusammen zu feiern. Also das war für uns ein ganz wichtiger Schritt.
AnL: Fangen wir mal an mit dem mit parlamentarischen Abend. Ist es ... sind das, was ich so unter dem Namen Kamingespräche verbuche, wo man wichtige Politiker und Politikerinnen einlädt und ihnen auch sagt, wie toll und wie wichtig man ist.
TK: Na ja, wir haben keinen Kamin gehabt, sondern wir haben einen größeren Raum gehabt, und wir haben auch nicht nur Politiker und Politikerinnen eingeladen, sondern ... diese natürlich gezielt auch, aber wir sind in die Breite, ich sag jetzt mal, des Gesundheitswesens gegangen und haben da auch eine entsprechende Teilnahme gehabt. Und das, was wir dort gemacht haben, ist weniger, dass wir uns präsentieren wollten, wie wichtig wir sind, sondern dass wir auch in dem Programm andere haben reden lassen und auch mal - und da ist ... sind wir schon fast bei dem dritten Punkt: Wie geht es eigentlich später mit dem IQWiG weiter? - auch mal darüber berichten lassen, wo sehen sie denn das IQWiG und wo sehen sie auch eine Entwicklungsmöglichkeit? Also, wir haben das dazu genutzt, nicht nur zurückzublicken, sondern auch nach vorne zu blicken mit externen Gästen, die uns dazu einen Input geliefert haben.
AnL: Zum Thema Feiern, habe ich gesagt, müssen wir nicht nur über die Feier als solche sprechen, sondern auch ein bisschen, was ganz wichtige Personalien angeht, die in einem Jahresbericht erwähnt werden sollten. Michaela, eine hast du schon erwähnt, das bist du selber. Gibt es da noch was, was Erwähnung finden sollte?
MiE: Ja, klar. Also, du hast es gesagt, ich habe mich selber schon erwähnt, aber ich möchte die Stelle schon auch nutzen zu sagen, dass ich ja diese Aufgabe übernommen habe von Stefan Lange, der das ja 19 Jahre gemacht hat und zu vielen Erfolgen des Instituts beigetragen hat. Und eine andere Person, die zu vielen Erfolgen des Instituts beigetragen hat, ist die ehemalige Leiterin des Ressorts Verwaltung und kaufmännische Geschäftsführung Petra Liehr, die im letzten Jahr in den Ruhestand gegangen ist. Und auch da hat's eine Veränderung gegeben. Wir haben einen neuen kaufmännischen Geschäftsführer und Leiter des Ressorts, den Klaus Bründermann, für diese Aufgabe gewinnen können. Und was für uns tatsächlich total hilfreich und gut ist, ist, dass er sowohl das Institut als auch unser Umfeld schon gut kennt, denn er war eine ganze Weile vorher Stellvertreter in dieser Rolle, und, ähm, sodass es sehr nahtlos ineinander übergehen konnte, und wir da auch eben eine Veränderung haben.
TK: Ja, wenn ich noch ergänzen darf, wir haben eine andere wichtige Veränderung auch im letzten Jahr gehabt, die auch dann mit Personengewinnung einhergegangen ist. Wir haben das ehemalige Ressort "Versorgung und Gesundheitsökonomie" in die beiden Teilbereiche und damit Teilressorts "Versorgung und Leitlinien" auf der einen und "Gesundheitsökonomie" auf der anderen Seite getrennt. Das hatte ganz wesentliche Gründe auch darin, dass über die letzten Jahre das ... der Aufgabenbereich, das Aufgabenportfolio für beide Bereiche sehr stark angewachsen ist und auch so vielfältig und unterschiedlich war, dass es sinnvoll war, auch eine entsprechende Besetzung und Ausrichtung in den zwei Teilbereichen stärker durch ein autakes Ressort zu betonen. Und wir haben zwei wunderbare neue Ressortleitungen gewonnen. Zum einen Corinna Schaefer für den Bereich "Versorgung und Leitlinien", langjährig in diesem Bereich tätig bei der ÄZQ, und Tim Mattes für die Gesundheitsökonomie, der sowohl in der Biometrie sehr kompetent ist als auch im gesundheitsökonomischen Bereich, viele nationale und internationale Kooperationen, Ausrichtungen hat. Also beide bringen noch mal sehr gute Impulse mit und sind in dem Team auch jeweils sehr gut aufgenommen worden, und ich glaube, da können wir auch noch mal viel für die Zukunft erwarten.
AnL: Dann gab's noch einen Umzug aus dem Herzen ...
TK: Oha!
AnL: ... Kölns heraus. Wenn man über die Südbrücke hier zum IQWiG fährt, dann steht in der Mitte der Brücke der Spruch: "Ab hier sinkt Ihre Lebenserwartung um 6 Jahre". Weil es da eben wirklich Statistiken gibt, auf dieser Seite des Rheins, dass diese Lebenserwartung etwas niedriger ist, und da seid ihr hingezogen. Ist das gut oder schlecht?
TK: Na ja, wir haben natürlich direkt diesen Spruch auch wahrgenommen und werden deswegen auch in Kürze hier einen Defibrillator für die Öffentlichkeit zur Verfügung stellen, nicht nur für uns. Nein, also der Umzug war natürlich anstrengend, und so ein Umzug passiert ja dann auch nicht nur in dem einen Jahr, sondern der hat ja schon viel früher mit der Planung etc. begonnen, und wir haben hier ... ich will mal vielleicht so zwei Dinge betonen. Das eine ist, wir haben hier sehr, sehr intensive Arbeit in den Umzug reingesteckt als Organisation, und das hat aber perfekt geklappt. Also, um es mal so zu sagen, wir haben hier gerade mal einen Tag Downtime für die IT-Infrastruktur gehabt, obwohl wir eben nicht hier eine komplette IT-infrastruktur neu beschafft haben, sondern die Infrastruktur, die Server von dem alten Standort hierhin transportiert, wieder aufgebaut und hochgefahren haben. Und dass das so perfekt geklappt hat innerhalb eines Tages: einfach wunderbar. Und das Gebäude selber, und das ist der zweite Schwerpunkt, den ich setzen möchte, das Gebäude selber ist natürlich ein ganz großer Gewinn. Jetzt sprechen wir ja über 2024, aber wir haben jetzt ja 2025 und die ersten Hitzetage schon hinter uns. Und diese ersten Hitzetage haben gezeigt, wir haben hier einfach ein wirklich gutes Klima, selbst bei diesen extremen Hitzetagen, was in dem vorherigen Standort nicht der Fall war.
AnL: Aber interessant, also Umzug, da habe ich immer noch das Bild im Kopf, dass Tische und Stühle geschleppt werden, aber anscheinend ist die IT viel wichtiger als das Mobiliar.
TK: Na, vielleicht wenn ich das noch kurz sagen darf, natürlich ist dieses Tischeschleppen etc., das ist ja die große Menge und das war auch ein ein ganz große Herausforderung, dass logistisch auch aus diesem Nadelöhr des KölnTurms ... Wer sich da so ein bisschen auskennt, weiß: Oben mit den Aufzügen, dem Parkhaus etc., das eine Riesenmenge, die geschleppt wurde, und diese logistische Herausforderung, das dann auch nach und nach hier hinzubringen und nach und nach aufzubauen, das ist natürlich richtig. Aber mal angenommen, die Tische wären nicht aufgebaut gewesen. Wir hätten ja mit einer IT-Infrastruktur trotzdem für ein paar Tage das überbrücken können mit mobiler Arbeit. Das heißt, wenn die Tische nicht da sind, kann man trotzdem zu Hause am Tisch arbeiten. Wenn die IT-Infrastruktur nicht da ist und die Tische stehen, okay, dann kann man etwas auf Zettel schreiben. Aber das Institut hat natürlich ganz wesentlichen Bedarf mit der IT-Infrastruktur zu arbeiten.
AnL: Gut, Umzug ist geglückt, und schließlich gab es auch noch was zu lachen. Da habe ich mir überlegt, na ja, ist ja vielleicht nicht unbedingt die Kernkompetenz des IQWiGs: Wissenschaftskommunikation mit riesengroßem Zwinker-Smiley. Das war so ein bisschen das Thema des Herbst-Symposiums, wo auch noch mal das Jubiläum letztendlich auch gefeiert wurde. War das lustig? Wie viel Lustigkeit ging denn da?
MiE: Da ging eine Menge Lustigkeit. Wieso findest du, dass wir nicht gut kommunizieren können? Also ich glaube, wir können das ...
AnL: Das habe ich mir gedacht, dass ...
MiE: Nein, ich glaube, also, du hast schon Recht, das wissen wir ja auch selber. Wir können das für bestimmte Gruppen, glaube ich, besser als für andere Gruppen. Und das ist eines unserer Themen, die wir auf dem Schirm haben, noch mal zu überlegen, welche Zielgruppen gibt es noch? Also, wir können sicherlich gut in der wissenschaftlichen Community kommunizieren, und ich glaube, dass hat in den letzten 20 Jahren eine gute Kompetenz aufgebaut, gegenüber ... mit Bürgerinnen und Bürgern und auch mit Patientinnen und Patienten zu kommunizieren. Und dann gibt's aber eine ganze Reihe Zielgruppen, wo wir, glaube ich, noch ein bisschen Nachholbedarf haben, wo wir ein bisschen lernen müssen ... Und da haben wir tatsächlich auf dem Herbstsymposium, glaube ich, guten Input bekommen, wo wir einfach lernen müssen, dass man nicht immer alles ins Detail ausführt, dass man vielleicht ein bisschen Dinge ein bisschen plastischer erklären muss, mit mehr Beispielen arbeiten muss. Und das war sehr unterhaltsam. Es gab tatsächlich verschiedene Beiträge, die ganz unterschiedlich sich mit diesem Thema Wissenschaftskommunikation auseinandergesetzt haben, von eher wissenschaftlichen Beiträgen über so einen Science Slam bis auch dann so einem Impro-Theater. Also total verschiedene Möglichkeiten, sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen und ... und einfach so Denkanstlöße zu geben. Das ist ja immer total wichtig, wenn da so viele Menschen zusammenkommen aus der Wissenschaftscommunity und die unterschiedliche Kompetenzen haben, gut oder schlecht in bestimmten Zielgruppen zu kommunizieren, dann ist natürlich so eine Veranstaltung, wo ganz viel verschiedener Input kommt und die Leute ganz unterschiedlich anspricht, einfach total Gold wert. Und es hat ... Neben den Beiträgen an sich war mein Eindruck, dass es sehr viel in der in der Diskussion auf der Abendveranstaltung dann gab, wo die Leute das Thema aufgenommen hatten. Wir hatten ja auch so ein Graphic Recorder da, der dann so ein wahnsinnig tolles Bild in der Veranstaltung entwickelt hat, und das stand dann bei der Veranstaltung da, und da haben sich immer wieder andere Leute getroffen, die dann einfach darüber sich ausgetauscht haben und Ideen entwickelt haben, was kann man machen. Aber ja, wir wissen, in manchen Bereichen sind wir ganz gut, aber auch da gibt es immer noch ein bisschen Optimierungsbedarf, keine Frage. In anderen Bereichen müssen wir vielleicht noch ein bisschen ... bisschen mehr machen. Das ist ein Thema, was wir auf dem Schirm haben und da war das ein richtig toller Anstoß und hat, glaube ich, vielen Menschen echt viel Spaß gemacht. Selbst die, die am Anfang so ein bisschen skeptisch waren und dachten, ach, ich weiß gar nicht. Also da habe ich viel Feedback bekommen, dass es echt unterhaltsam war.
AnL: Ich könnte ja jetzt weiter übers Feiern sprechen, aber wir müssen jetzt mal ans Eingemachte gehen. Also, Themenkomplex "Politisiere", also was ist die eigentliche Arbeit, wo das IQWiG auch die Kernkompetenz hat, was waren da inhaltlich für euch beiden so die wichtigsten Punkte, über die wir hier im Jahresbericht sprechen müssen?
TK: Mh-mh. Ja, ich fange einfach mal an. Ich habe ja vor meiner Zeit als Institutsleiter im Ressort Arzneimittelbewertung als Ressortleiter gearbeitet, und aus dem Bereich Arzneimittelbewertung würde ich also gerne ein Beispiel bringen, das so ganz unmittelbare Auswirkungen für die Versorgung der Menschen in Deutschland hatte. Das ist das Projekt zur Bewertung der Arzneimittel zur Unterstützung von Abstinenz bei schwerer Tabakabhängigkeit. Da haben wir im Auftrag des G-BA die verschiedenen vier Arzneimittel bewertet, dabei auch rausgefunden mit Analysen, die so öffentlich nicht verfügbar waren bislang, dass zwei Arzneimittel auch tatsächlich für diese schwere Tabakabhängigkeit die Unterstützung liefern können. Und das ist jetzt in diesem Jahr, Anfang des Jahres auch vom G-BA entsprechend umgesetzt worden, dass diese beiden Arzneimittel jetzt auch so erstattet werden können. Also das war so ein Projekt, was so ganz unmittelbare Auswirkung auf die Versorgung der Menschen hat.
AnL: Das ist die Arzneimittel-Geschichte. Was sonst? Welche Themen?
MiE: Ich mache mal weiter mit anderen großen Rädern, die bewegt wurden, oder mit den mit den großen ... oder mit den Themen, die einfach viele Menschen betreffen. Ein Gesetzesentwurf, der im letzten Jahr ja lange diskutiert wurde, bevor sich die Bundesregierung aufgelöst hat, war ja tatsächlich das Gesunde-Herz-Gesetz, und ein Baustein dieses Gesunden-Herz-Gesetzes war, das eingeführt werden sollte, ein Screening auf eine Erkrankung, eine familiäre Hypercholesterinämie, das ist eine Fettstoffwechselstörung. Und das sollte bei bestimmten Kinder-Untersuchungen oder Kinder- und Jugendlichen-Untersuchungen eingeführt werden. Und da gab es dann, ähm, auch eine Beratung im Gemeinsamen Bundesausschuss dazu, und in diesem Kontext sind wir dann eben beauftragt worden, einmal zu bewerten, was wissen wir denn eigentlich aus Studien zu diesem Screening auf eine solche Fettstoffwechselstörung, und da haben wir einen Bericht erstellt und haben dann tatsächlich auch mal so Dinge, die immer so auch durch die Medien geisterten und die von vielen Politikern und Politikerinnen auch immer so aufgegriffen wurden, einfach auch noch mal ein bisschen eingeordnet, was es tatsächlich an Evidenz gibt und wozu es eigentlich keine Daten gibt. Und haben dann auch einen Vorschlag gemacht, was wir denken, was aus, auf Basis der Daten, die zur Verfügung stehen, möglicherweise ein ... ein Ansatz ist, den man auch mal überdenken kann, wenn man eben nicht so ein generelles Screening einführt. Und das war etwas, wo wir diesen Bericht erstellt haben, wo wir uns aber auch in die politische Diskussion eingebracht haben und wo wir einfach mit dem, was wir einfach gut können, nämlich einfach noch mal schauen, wozu haben wir Evidenz und wie belastbar ist das, da auch tatsächlich Input hoffentlich geben konnten und die Diskussion vor allen Dingen aber auch noch mal ein bisschen bewegen konnten, was ... was vielleicht auch evidenzbasiert, evidenzgestützt möglich wäre. Und andere große Räder, die natürlich auch immer bewegt werden, sind die Disease-Management-Programme zu unterschiedlichen chronischen Erkrankungen, und da gab's im letzten Jahr eine Besonderheit ...
AnL: Das ist ja wahrscheinlich so eine kontinuierliche Geschichte, das hört nicht auf.
MiE: Genau, das hört nicht auf. Das sind immer Berichte, die erstellt werden, wo man einfach anhand mal in der Regel von Leitlinienempfehlungen guckt, gibt es eigentlich neue Empfehlung, gibt es neue evidenzbasierte Empfehlung aus Leitlinien, die man in solche Disease-Management-Programme eigentlich einpflegen muss, also wo einfach neue Erkenntnisse sind, die man dort auch abbilden sollte, damit das in der Versorgung auch auf einer evidenzbasierten und Leitlinien-gerechten Grundlage funktioniert. Und bisher ist es tatsächlich immer so gewesen, dass ... dass wir solche Leitlinienübersichten gemacht haben: Empfehlungen aus Leitlinien zu diesen Erkrankungen, sei das Diabetes, sei es Asthma, sei es Herzinsuffizienz, zusammengestellt haben und dann eben geguckt wurde, gibt's da etwas Neues, muss da noch mal vielleicht etwas Neues aufgenommen oder verändert oder auch aus einer solchen Beschreibung rausgenommen werden. Und im letzten Jahr war es dann aber so, dass es zum Thema Herzinsuffizienz auffiel, dass zu einem bestimmten Thema, nämlich dem Telemonitoring oder zu bestimmten Monitoring-Möglichkeiten bei Herzinsuffizienz, die Leitlinien gar nicht aktuell waren, gar nicht den aktuellen Stand des Wissens aufbereitet hatten. Und das war so der Moment, wo dann eben entschieden wurde, ja, wir könnten ja eigentlich auch das IQWiG beauftragen, also der G-BA hat entschieden, wir könnten das IQWiG ja auch beauftragen, da noch mal wirklich in die Evidenz selbst reinzugehen. Und da haben wir eine sogenannte Evidenzkartierung gemacht. Das ist so ein so'n ... so'n schnelles, sehr komprimiertes Format, wo wir eben mal losgelöst von den Leitlinien eine Evidenzrecherche gemacht haben zu diesem einen bestimmten Aspekt und dann diesen eben einbringen konnten in die Beratung. Und das war insofern, denke ich, einfach wichtig, dass man sich noch mal bewusst gemacht hat auch im Gemeinsamen Bundesausschuss, dass es möglich ist, weil das ist ja für viele Themen denkbar im Rahmen dieser dieser G-BA, äh, dieser DMP-Beratung. Und das war tatsächlich für uns ein neues Projekt und ich glaube auch etwas, was was methodisch herausfordernd, aber auch ja richtig gut war am Ende.
AnL: Jetzt noch mal das, was ich ganz am Anfang gesagt habe: Wo ist der Impact des, des IQWiG auf Gesundheitswesen, auf Gesundheitspolitik, auf Versorgung usw.? Was, ähm, bei den Punkten, die wir jetzt genannt haben, kann man das irgendwie ein bisschen filtrieren, konzentrieren, wo dieser Impact ist, kann man das benennen?
TK: Vielleicht kann ich da ansetzen jetzt zu den Leitlinien. Zum einen an der Stelle, also dass der Impact war: Kommt ein solches Monitoringverfahren jetzt tatsächlich in die Versorgung im Disease-Management-Programm, ja oder nein? Also ganz unmittelbar, das ist jetzt entschieden worden, dass es nicht in die Versorgung kommt. Das war das Ergebnis der Betrachtung, aber das hat ein ganz unmittelbares, äh, ganz unmittelbaren Impact und vielleicht eher in Richtung mittelbaren Impacts, wenn ich da bei Leitlinien noch mal weitermachen darf: Wir unterstützen Leitlinienruppen bei ihrer Erstellung der Leitlinien, indem wir systematisch die Evidenz zu einzelnen Fragestellung sichten. Das machen wir schon seit ein paar Jahren, aber das hat in den letzten Jahren doch eher so gestockt. Es gab eher weniger Aufträge. Das war auch im Zusammenspiel ... ich sage jetzt einfach mal ... schwierig. Und wir haben schon im Jahr 2023 in Abstimmung mit der AWMF, also das ist die übergeordnete Organisation der Fachgesellschaften, als auch mit dem Gesundheitsministerium mal überlegt, wie wir das Verfahren insgesamt verbessern können. Und wir haben beispielsweise Leitliniengruppen auch in Sitzungen beraten, wie man das Verfahren durchführen könnte, was genau auch dahinter steckt, wie man unsere Evidenz interpretieren kann. Und da sind wir in so einen deutlich besseren Ablauf gekommen, und das hat sich in 2024 dann auch so widergespiegelt, dass wir jetzt kontinuierlich in größerer Anzahl die Leitliniengruppen unterstützen, verlässlich ihnen die entsprechenden Informationen liefern, und auch die Leitliniengruppen selber viel schneller jetzt in eine entsprechende Umsetzung dieser Evidenzrecherchen, dieser Evidenzberichte für ihre eigenen Leitlinienempfehlung kommen. Das heißt, das ist so eine mittelbare Auswirkung, denn die evidenzbasierten Leitlinien verändern ja potenziell die Versorgung, ne? Also, weil sich daran ja auch eine bestimmte Art und Weise, wie versorgt wird, ausrichtet. Sollte es zumindest, das ist bei den einzelnen Leitlinien mal ... mal mehr, mal weniger, aber vom Prinzip her ist das ja die Zielsetzung. Und da haben wir durch diese Kontinuität, die zeitlich engere Umsetzung unserer Empfehlungen und auch die verlässlichere Umsetzung der Empfehlung einiges erreicht.
AnL: Das war ein Beispiel für einen Impact, oder auch wenn es auch nur ein mittelbarer oder ein langfristiger Impact ist. Eine Sache ist letztes Jahr auch gekommen vom IQWiG. Das war ein Themencheck Medizin zu einer Sache, wo ich gedacht habe, das ist sehr relevant für Patientinnen und Patienten. Es ging um Shared Decision Making. Was ist da gewesen, oder was hat es da für Diskussionen gegeben?
TK: Ja, gut, dass du das Thema ansprichst, weil das war eine interessante Erfahrung für die Institution, auch für mich persönlich und die auch, wenn wir da mal zurückblicken, uns selber auch noch mal darauf aufmerksam macht, dass wir bei der Kommunikation über bestimmte Inhalte genau sein müssen, denn wir waren missverständlich. Also, was genau steckt dahinter? Der Themencheck Medizin, der beantwortet ja Fragen von Bürgerinnen und Bürgern. Also es sind keine Aufträge des G-BA, auch keine des Ministeriums, sondern Bürgerinnen und Bürger stellen Fragen. Und bislang ist es so, und das war in dem Fall auch so, dass dann externe Gruppen dazu Berichte erstellen, die werden unter der Herausgeberschaft des IQWiG veröffentlicht. So, hier ist also ein Thema gewesen, dass eine Bürgerin oder einen Bürger gefragt hat: Möglichkeiten, Tools des Shared Decision Making, das sind z. B. Entscheidungshilfen, ne? Also gemeinsame Entscheidungen und Entscheidungshilfen, die darstellen, wie die unterschiedlichen Ergebnisse von bestimmten Maßnahmen sind. Sagen wir mal z. B. den Screening-Verfahren, was sind Vor- und Nachteile, damit die Menschen sich dafür oder dagegen entscheiden können, daran teilzunehmen. Diese Tools, hier Entscheidungshilfen, dazu war die Frage, ändert die Anwendung dieser Entscheidungshilfen den Gesundheitszustand der Menschen? Das ist gar nicht die primäre Zielsetzung dieser Entscheidungshilfen, sondern die primäre Zielsetzung ist, dass sie eine Autonomie der Entscheidung unterstützen. Aber es ist natürlich trotzdem aus meiner Sicht eine berechtigte Frage, dass man sich anschaut, was passiert denn, wenn man das in einem Gesundheitssystem einsetzt?
AnL: Also im Grunde geht es darum, ja für sich selber bessere Entscheidungen zu machen, aber dieses Besser ist letztendlich ja noch mal unterteilbar, in diesen Zuwachs an Autonomie, besseres Gefühl, besseres Vertrauensverhältnis mit dem Arzt, und das andere ist das rein Medizinische, und darum ging es jetzt anscheinend.
TK: Genau, darum ging es und das ist auch gar kein ... sage ich mal ... Widerspruch in dem Sinne, weil diese Entscheidungshilfen ... also kein Widerspruch, wenn beispielsweise der Gesundheitszustand sich nicht insgesamt in einer Population verbessert, weil das Thema der Entscheidungshilfen ist ja, dass die Autonomie der Entscheidung verbessert werden soll. Trotzdem ist es eine berechtigte Frage, sich darum zu kümmern, was sind denn die Auswirkungen, wenn man solche Tools insgesamt im Gesundheitswesen anwendet? Und das Ergebnis war, es gibt tatsächlich Studien dazu, wenn auch wenige. Also, das ist untersucht worden, und aus den wenigen Ergebnissen, die man da gesehen hat, ergab sich keine Richtung im Sinne: "Durch die Entscheidungshilfen verändert sich der Gesundheitszustand deutlich ins Positive oder deutlich ins Negative in einer Gruppe", ne, in einer Gruppe z. B. von Menschen, die sich für ein Screening-Verfahren interessieren. Unsere Pressemitteilung dazu, die wir dann für den Bericht, der zur Stellungnahme gegangen ist, rausgegeben haben, war missverständlich, denn das ist so aufgenommen worden, dass wir, weil es eben keinen Nachweis eines Vorteils zum Gesundheitszustand gab, dass wir für manche Menschen vermittelt haben: "... und damit haben Entscheidungshilfen keinen Wert".
AnL: Gibt es denn ein Ergebnis?
TK: Ja, das Ergebnis ist, dass die Autonomie durch diese Entscheidungshilfen sehr gut gestärkt wird. Und das Ergebnis ist auch, dass man zu dem Gesundheitszustand nur begrenzt etwas sagen kann, zur Veränderung, und es keine deutliche Tendenz für oder gegen eine positive oder negative Veränderung gibt. Und das stellt aber die Entscheidungshilfen nicht in Frage. Wir haben ja selber ganz viele Entscheidungshilfen auf unserer Webseite. Und das Ergebnis, jetzt mal, sage ich, das für uns gegeben hat, das haben wir auch so explizit kommuniziert. Das war der Unterschied, der er sich daraus ergeben hat.
AnL: Jetzt haben wir uns doch am Themenkomplex "Politisiere" eine ganze Weile aufgehalten - und müssen jetzt aber ein bisschen Zeit auch noch freiräumen, um zu spekulieren, also den Blick in die Zukunft zu wagen. Wer im Moment nach vorne blickt, und zwar gilt das, glaube ich, für alle alle alle Lebensbereiche, sieht ungeheuer viel künstliche Intelligenz auf uns zu rollen. Also es wird ... wir werden ja wirklich in allen Lebensbereichen damit überrollt, und deshalb würde ich damit auch ganz gerne anfangen, denn ich kann mir vorstellen, dass ein Institution, ein Institut wie das IQWiG damit sich auch arg auseinandersetzt.
MiE: Ja, in der Tat tun wir das. Es geht natürlich einmal darum, wie können wir selber KI für unsere Arbeit nutzen. Also sei es in solchen Dingen, in so organisatorisch-administrativen Dingen wie Protokollerstellung etc., da sind ja ganz viele Dinge denkbar. Aber natürlich auch perspektivisch: Wie können KI-Elemente genutzt werden, um Literaturrecherche zu vereinfachen, mit weniger Ressourcen durchzuführen oder umfassendere Dinge durchzuführen? Wie können Studienauswertungen oder Datenextraktion mit Hilfe von KI unterstützt werden? Das ist natürlich ein ... ein großer Themenkomplex, und gerade zu diesem ersten angesprochenen Thema, was gibt es eigentlich im Moment schon für Möglichkeiten, dass KI Literaturrecherche und Screeningprozesse unterstützen kann, hat hier im letzten Jahr auch ein Meeting stattgefunden von internationalen Fachexperten für Informationsbeschaffung, das Information Retrieval Meeting, wo genau zu diesem Thema sich ausgetauscht wurde und wo es auch insgesamt so ist, dass sich da hier unser Ressort Informationsmanagement auch international austauscht, was da der aktuelle Stand der Dinge ist, und sich entsprechend auch in diese Dinge ein bringt.
TK: Wenn ich da ganz kurz eine Ergänzung machen darf, du hast so nett gesagt: Das hat hier stattgefunden. Wir sind die Initiatoren dieses Meetings. Das ist das zweite Meeting gewesen. Wir machen das alle zwei Jahre. Das liegt auch daran, dass wir ziemlich gut ausgestattet sind in diesem Bereich. Nicht nur personell, sondern auch von der Kompetenz, und deswegen können wir hier auch so eine gute Plattform für diese Themen liefern.
AnL: Ich würde aber gerne an diesem Thema KI noch ein bisschen dran kleben bleiben. Das Problem ist ja, dass die sich so unwahrscheinlich schnell entwickelt, und wenn man heute überlegt, wo kann in Zukunft irgendwas passieren, dann ist eigentlich immer die Hauptantwort: Niemand weiß nichts Genaues. Also, wir wissen einfach alle nicht, wo da die Reise hingeht irgendwie. Also, wie kann man jetzt mit dieser Ungewissheit irgendwie trotzdem versuchen, als Institut sich sozusagen auf diese ungewisse Reise, die aber so sicher kommen wird das Amen in der Kirche, wie kann man sich darauf vorbereiten?
MiE: Na, man muss dran bleiben. Also zum einen gibt es hier im Haus eine AG KI, die sich genau mit diesen Dingen beschäftigt, die eben versucht dran zu bleiben, die versucht an den Themen dran zu bleiben, die sich auch tatsächlich tiefergehend damit beschäftigt. Auf der fachlichen Ebene gucken wir, dass wir da auch in den internationalen Austausch kommen, einfach gucken, was ist im Moment schon möglich. Und was wir eben noch gar nicht hatten bei der Aufzählung, was uns betrifft an KI-Elementen, ist es natürlich: Es gibt natürlich auch zunehmend z. B. diagnostische Methoden, wo KI eine Rolle spielt. Also, das heißt, wir müssen uns auch bei Nutzenbewertungsfragen eben auch mit Fragen auseinandersetzen, dass eine bestimmte Methode mit oder ohne KI-Elemente z. B. gegeneinander überprüft wird. Aktuell haben wir ein ... bearbeiten wir einen Bericht im ThemenCheck Medizin, die sich ... der sich eben damit beschäftigt, ob eine KI-unterstützte Auswertung von Röntgenbefunden beim Lungenkrebsscreening oder bei der Lungenkrebsdiagnostik besser ist als eine rein ärztliche Befundung. Und das sind natürlich auch Themen, die in Zukunft viel, viel mehr kommen werden. Also da ist einiges, auch so bei Prognosemodellen oder so, da ist einiges unterwegs an KI. Und ein anderes großes Feld, mit dem wir uns auch auseinandersetzen müssen, ist natürlich: Was bedeutet es eigentlich, wenn eine Suchmaschine KI-Zusammenfassungen macht, was bedeutet das eigentlich für uns, unsere Webseiten, unsere Wahrnehmung? Kommen die Leute noch wirklich zu uns auf die Seiten, und wie können wir steuern, dass ... dass unsere Inhalte sozusagen trotzdem gesehen, gelesen werden und die Menschen erreichen? Und müssen wir vielleicht da auch noch mal andere Dinge machen, um tatsächlich sicherzustellen, dass gute, evidenzbasierte Informationen die Bürgerinnen und Bürger erreichen, die Patientinnen und Patienten. Also das ist, das ist ein total vielfältiges Feld, was in ganz, ganz viele, ich würde fast sagen, in alle Fachbereiche reinspielt, die hier im Haus arbeiten. Und ja, wir haben das auf dem Schirm, und das ist, glaube ich, tatsächlich auch gut, dass wir da auch Menschen haben, die ... die Interesse daran haben, die Spaß daran haben, sich damit auseinanderzusetzen, weil es einfach ... Also da kann man jetzt nicht sich hinsetzen und abwarten, da muss man schon einfach so ein bisschen vorne mit dabei sein und gucken, wo die Entwicklung hingeht und entsprechend dann halt auch, wenn es eben Dinge gibt, die für uns nützlich sein können, dann schon auch aktiv mitarbeiten, mitmachen.
AnL: Und was ich denken würde, ist, dass von der KI natürlich auch eine Gefahr ausgeht, dass Informationen nicht mehr so stimmen, wie sie irgendwie ... oder dass die KI einfach Informationen ausspuckt, die sie irgendwoher hat und die eigentlich totaler Blödsinn sind. Und wenn es dann darum geht, in Studienrecherchen, Reviews oder diese ganzen Sachen, ist da nicht auch, ja, ich sag mal: Für Fake Information, ist es nicht auch ein Einfallstor für Fake Information?
MiE: Das ist tatsächlich bei uns auch ein Thema. Also wenn KI-Elemente genutzt werden zum Schreiben von Studien etc., auch das ist etwas, womit sich Menschen beschäftigen und wo man einfach gucken muss, was wissen wir da eigentlich zu? Wie können wir das erkennen? Was machen wir mit solchen Studien, wenn wir sehen, das ist eben auch KI-unterstützt verfasst worden? Das sind tatsächlich total wichtige Themen, und ja, das kann sein. Es ist natürlich immer schwierig, Dinge wieder aus der Welt zu bekommen, wenn die sich schon so verfestigt haben. Und das ... das ist etwas, da müssen wir gucken, wie können wir gucken, dass wir unsere evidenzbasierten Informationen tatsächlich so gut streuen, so gut vermitteln, dass die noch dagegen ankommen. Oder wie können wir da vielleicht auch Einfluss nehmen?
TK: Was ich aber ganz interessant auch immer wieder an der Diskussion finde, ist: Erwartet man eigentlich von der KI eine Perfektion, die man von Nicht-KI, also von der humanen Intelligenz eigentlich nicht erwarten würde? Ich will mal ein Beispiel machen. Wir haben ja eben über die Unterstützung von Literaturrecherche gesprochen, und in der Literaturrecherche gibt es sogenannte Studienfilter. Das heißt, man macht bestimmte Suchabfragen, und die sollen die Treffermenge reduzieren. Diese Suchabfragen identifizieren nicht perfekt die richtigen Studien, sondern die haben so ne ... machen so eine Abwägung zwischen Aufwand und Nutzen. Also, wie viele Treffer bekomme ich, und wie viele relevante Studien verpasse ich eventuell? Und genau das kann man natürlich auch für KI-Unterstützung untersuchen. Und ne KI ist nicht erst dann sinnvoll, wenn sie in allen Bereichen perfekt und 100% macht. Also ich glaube, dass es da eine Grundeinstellung auch dazu braucht, auch die Chancen durch KI zu sehen, ohne naiv zu sein. Aber ich glaube, so eine komplette Risikoaversion gegenüber der KI wäre das völlig falsche Signal, und das haben wir auch nicht. Also wir sehen schon sehr viele Chancen, aber man kann eben auch viele Dinge im Umgang mit KI objektivieren durch entsprechende Studien mit ... zu diesen KI-Tools, und das ist eben auch ein Thema, das wir haben und das wir auch machen. Wir haben ja Erfahrung da drin.
AnL: Ich werde jedenfalls das Thema KI jetzt noch auf die Tagesordnung setzen der Jahresgespräche 25, 26, 27 ff. Denn das wird uns eine Weile erhalten bleiben.
TK: Ja, die Frage ist, ob wir die Jahresgespräche dann noch mit einer HI oder mit einer KI führen werden.
AnL: Kommen wir zu anderen Themen unter diesem ... unter dieser Rubrik Ausblick. Was wird wichtig ... eigentlich muss man ja sagen, dieses Jahr, oder dieses Jahr und nächstes Jahr?
TK: Ja, also zwei Themen, die ganz wesentliche Veränderungen für uns teilweise schon gebracht haben, noch mal stärker bringen werden, sind gesetzliche Veränderung auch. Das eine ist eine nationale Sache, nämlich die Krankenhausreform. Wir haben in der Gesetzgebung der Krankenhausreform eine neue Aufgabe bekommen, die Mindestvorhaltezahlen festzulegen. Da ist für dieses Jahr ... steht da ganz im Vordergrund, stand bisher auch schon im Vordergrund die Methodenentwicklung. Da werden wir in Kürze auch in ein Stellungnahmeverfahren gehen. Und dann werden wir sehen, wie die Methodik auch im Stellungnahme-Verfahren angenommen wird. Wir haben im Vorfeld da verschiedene Experten auch eingebunden, sodass wir da zuversichtlich sind. Aber das hat natürlich einen ganz wesentlichen Impact, wenn wir diese Bewertungen zu den Mindestvorhaltezahlen durchführen, denn das bedeutet, dass im Prinzip Krankenhäuser, die diese Menge der Mindestvorhaltezahlen in bestimmten Leistungen, das heißt bestimmten Arten von Operationen, nicht durchführen, gegebenenfalls das zukünftig nicht mehr durchführen würden. Also, es hat so eine unmittelbare Verbindung zu der Krankenhauslandschaft, dass das für uns ein ganz wesentlicher neuer Schritt sein wird und natürlich auch eine ganz große Verantwortung mit sich bringt. Der zweite wichtige Punkt, und das ist eben auch etwas, was schon seit einigen Jahren in der Vorbereitung war, aber jetzt im Januar tatsächlich scharf gestellt wurde, das ist die europäische Nutzenbewertung. Jetzt zunächst erstmal für Arzneimittel. Hat begonnen jetzt mit der Bewertung von Krebsarzneimitteln und Gen- und Zelltherapeutika. Da sind wir als IQWiG in einem sehr großen Anteil in der Bewertung. Das heißt also, wir übernehmen einen großen Anteil dieser Bewertungen auf europäischem Kontext. Das ist ja eine Zusammenarbeit verschiedener europäischer HTA-Organisationen. Wir haben da höchstwahrscheinlich in diesem Jahr den größten Anteil. Das ist so ein ähnliches System, wie das auch in der Zulassung ist, und das verändert natürlich auch unsere interne Arbeit, denn wir werden auch intern internationaler. Also, wir schreiben ja auch die Berichte auf Englisch. Wir haben das in einem Kooperationssystem mit einer anderen HTA-Agentur. Das ist so aufgesetzt: Es gibt immer einen Assessor und einen Coassessor. Auch da ist die Kommunikation natürlich in englischer Sprache. Das heißt, wir werden intern und extern an der Stelle internationaler, was ich sehr begrüße, weil uns dadurch natürlich auch noch mal eine andere Sichtbarkeit, aber auch andere Möglichkeiten gegeben sind, in der internationalen Kooperation auch noch mal mehr durch unsere Expertise zu erreichen und beitragen zu können.
AnL: Jetzt haben wir so viel gesprochen, was wichtig war 2024, was dieses und kommendes Jahr wichtig werden wird, und, Michaela, was wir noch gar nicht gemacht haben: Wir haben noch gar nicht über Geld gesprochen.
MiE: Ja, aber das ist tatsächlich wichtig und das ist, glaube ich, etwas, was die Menschen draußen wissen, dass die Situation in der gesetzlichen Krankenversicherung und gesetzlichen Pflegeversicherung sehr angespannt ist. Und natürlich müssen auch wir gucken, wie wir die Mittel, die wir bekommen, sorgsam einsetzen und wie wir die Aufgaben ... und das ist ja so tatsächlich, dass ... Wir haben ja über viele Herausforderungen auch schon gesprochen, ne? Wir müssen uns mit Ding beschäftigen wie KI, wir müssen uns mit neuen Themen beschäftigen, und das alles müssen wir natürlich machen und trotzdem auch in dem Bewusstsein, dass ... Wir müssen gucken, wie diese Mittel, die uns zur Verfügung stehen, wie wir die sorgsam einsetzen und wie wir die so einsetzen, dass wir den steigenden Aufgaben gerecht werden und trotzdem nicht enorm hohe Mehrkosten verursachen. Also, das ist für uns ein Riesen-Thema. Das ist uns wirklich total wichtig und das ist aber auch eine große Herausforderung. Also, das ist etwas ... und das werden alle Institutionen im Kontext der gesetzlichen Krankenversicherung kennen, und, wie gesagt, das ist ja etwas, was jeder im Moment auch selbst merkt, aber da... ja, das ist ein Thema für uns, und das ist ein wichtiges Thema, und ich glaube, wir sind uns da der Mittel, die wir haben, um hier in diesem Institut zu arbeiten, sehr wohl bewusst - und auch sehr wohl bewusst, dass wir gucken müssen, wie wir das, das Beste damit machen und das ... ja, den meisten Impact damit erreichen.
AnL: Kann man denn so eine Aussage haben? Ist weniger ... jetzt 2025, 26 ist da weniger in toto?
TK: Ich glaube, dass man so eine Aussage jetzt noch nicht machen kann. Es hängt schon auch noch mal mit den Aufgaben zusammen. Es kann ja auch sein, dass es eine sinnvolle Investition gibt. Der Hauptpunkt ist letztendlich zu sagen, wir haben die Verantwortung, die gute Ausstattung, die wir haben, uns derer bewusst zu sein und die bestmöglich einzusetzen.
AnL: Das IQWiG-Jahresgespräch, das war 2024, kann man sagen. Und wir haben auch ein bisschen darüber gesprochen, wohin die Reise gehen wird. Also dieses Gespräch wurde noch nicht mit einer KIerstellt. Es war ganz konventionell ein Gespräch. Wir sitzen hier richtig am Tisch. Klar, es war nur ein Ausschnitt. Es ist unmöglich, so ein ganzes Institutsjahr zusammenzufassen in so kurzen Gespräch, aber ich denke, viele, viele Punkte und auch sehr wichtige Punkte, die haben wir zur Sprache bringen können, auch so ein paar Meilensteile in der IQWiG-Chronik, die haben wir besprechen können. Dafür vielen Dank der Institutsleitung fürs Mitmachen, fürs Rede und Antwort stehen. Dr. Thomas Kaiser, Institutsleiter des IQWiG, und Doktorin Michaela Eikermann, stellvertretende Institutsleiterin. Vielen, vielen Dank.
MiE: Vielen Dank an dich, Andreas.
AnL: Kurze ... kurzes Schlussfazit, Ausblick, Schlusswort noch gefällig?
TK: Also ich mache gerne noch ein Schlusswort. Das ist möglicherweise der Beginn einer wunderbaren Podcast-Reihe des IQWiG. Dazu müssen wir aber noch einige Gespräche miteinander führen.
AnL: Da bin ich jetzt sprachlos.
TK: Wie kann dir das passieren?
AnL: Gut, also, das IQWiG-Jahresgespräch, das war's, inklusive Schlusswort. Ich bin Andreas Lange. Vielen Dank für Ihr Interesse und vielen Dank auch fürs Zuhören.