Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) Stellungnahme vom 30.04.2024 des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) zum Referentenentwurf für das KHVVG vom 13.03.2024
1 Vorbemerkung
Mit dem vorgelegten Referentenentwurf eines Gesetzes zur Verbesserung derVersorgungsqualität im Krankenhaus und zur Reform der Vergütungsstrukturen(Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz – KHVVG) soll unter anderem die Qualität derstationären Behandlung gesichert und gesteigert werden bei gleichzeitiger Gewährleistungeiner flächendeckenden medizinischen Versorgung. Das IQWiG begrüßt diese Zielsetzung.Das IQWiG nimmt zu dem zugrundeliegenden Referentenentwurf nachfolgend ausschließlichzu den Aspekten Stellung, die die Arbeit des IQWiG unmittelbar betreffen.
2 Festlegung von Mindestvorhaltezahlen (§ 135f SGB V) für Leistungsgruppen (§ 135e
SGB V)
Der Referentenentwurf sieht vor, dass Leistungsgruppen für die stationäre Behandlungeingeführt werden (§ 135e SGB V). Gemäß § 135f Abs. 1 SGB V soll für diese Leistungsgruppen eine Mindestzahl an vom Krankenhausstandort erbrachten Behandlungsfällen gelten, auch bezeichnet als Mindestvorhaltezahlen. Das IQWiG soll gemäß § 135f Abs. 2 SGB V im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit wissenschaftliche Empfehlungen für die Festlegung und regelmäßige Weiterentwicklung von Mindestvorhaltezahlen erarbeiten. Neben inhaltlichen Rahmenbedingungen (Beachtung der Kriterien nach § 135f Abs. 1 Satz 1, Abgabe der Empfehlung in Form eines Perzentils der Gesamtfallzahl eines Kalenderjahres je Leistungsgruppe, Berücksichtigung der Datenauswertungen des IQTiG im Transparenzverzeichnis nach § 135d SGB V) werden im Referentenentwurf auch zeitliche (Frist für eine Bewertung 3 Monate mit nachfolgender Erstellung von Auswertungen durch das InEK innerhalb von weiteren 3 Monaten und nachfolgende Festlegung durch das BMG mittels Rechtsverordnung) sowie finanzielle Rahmenbedingungen (Aufwand für das IQWiG auf Bagatellfallniveau, Finanzierung über den Systemzuschlag nach §139 c SGB V) aufgeführt. Hierzu nimmt das IQWiG wie folgt Stellung:
- Das IQWiG hat weitreichende Erfahrungen in der Bewertung des Zusammenhangs zwischen Leistungsmenge und Ergebnisqualität für stationäre Eingriffe (Mindestmengen) im Auftrag des Gemeinsamen Bundesausschusses. Bei der Festlegung von Mindestvorhaltezahlen für Leistungsgruppen sind neben den in § 135f SGB V selbst genannten Kriterien jedoch, zusätzlich, neben anderen Aspekten, mindestens die Vielfalt der Leistungen innerhalb einer Leistungsgruppe zu beachten. Die Festlegung der Mindestvorhaltezahlen nach den im KHVVG genannten Kriterien stellt insofern auch inhaltlich eine neue Aufgabe für das IQWiG dar. Hierzu muss daher eine entsprechende Methodik unter Beachtung der im KHVVG genannten Rahmenbedingungen erarbeitet werden. Dabei geht das IQWiG davon aus, dass die Abgabe der Empfehlung in Form eines Perzentils der Gesamtfallzahl eines Kalenderjahres das Ergebnis einer entsprechenden wissenschaftlichen, auch medizinisch inhaltlichen, Bewertung darstellt und nicht rein rechnerisch abzuleiten ist.
- Für die notwendige Methodik gibt es kein nationales oder internationales Vorbild, auf das aufwandsarm zurückgegriffen werden kann. Es sollte daher im Gesamtzeitplan nach Inkrafttreten des KHVVG ein ausreichender Zeitraum für diese Methodenentwicklung eingeplant werden. Auch die Rechtsverordnung zu § 135e Abs. 2 SGB V wird wichtige Rahmenbedingungen für die Methodenentwicklung setzen, diese soll zum 31.03.2025 erlassen werden. Unter Beachtung dieser Gegebenheiten erscheint eine Beauftragung des IQWiG mit einer Bewertung nach § 135f SGB V frühestens 6 Monate nach Inkrafttreten des KHVVG und mindestens 3 Monate nach Erlass der Rechtsverordnung gemäß § 135e Abs. 2 SGB V realistisch.
- Der im KHVVG genannte zeitliche Ablauf bis zur erstmaligen Festlegung von Mindestvorhaltezahlen durch das BMG gemäß § 135f Abs. 5 SGB V erscheint in diesem Zusammenhang nicht realistisch. Aufgrund der zeitlichen Abfolge (3 Monate Bewertung durch das IQWiG, 3 Monate Auswertung durch das InEK, Festlegung im Rahmen eine Rechtsverordnung durch das BMG mit Zustimmung des Bundesrats) kann nicht erwartet werden, dass eine erste Rechtsverordnung gemäß §135 f Abs. 5 SGB V bereits 1 Jahr nach Inkrafttreten des KHVVG vorliegt, sofern eine sachlich angemessene Bearbeitung dieser wichtigen Aufgabe durch das IQWiG erwartet wird. Dies gilt auch unabhängig von der ungeklärten, da im Referentenentwurf nicht adressierten Frage, für wie viele der Leistungsgruppen zu Beginn ein Auftrag an das IQWiG vergeben werden soll. Das IQWiG schlägt daher abweichend vom Referentenentwurf vor, den Erlass einer Rechtsverordnung nach § 135f SGB V erstmalig bis zwei Jahre nach Inkrafttreten des KHVVG vorzusehen, mit Wirkung ab dem Kalenderjahr 2028.
- Die Annahme eines Aufwands für das IQWiG auf Bagatellfallniveau erscheint ebenfalls unrealistisch. Auch wenn die notwendige Methodik noch entwickelt werden muss, hat das IQWiG im Zuge der Beratung über den Referentenentwurf eine erste Einschätzung für den notwendigen Aufwand vorgenommen. Grundlage sind dabei die Erfahrungen aus Projekten mit vergleichbarer Laufzeit, wobei im vorliegenden Fall nicht auf Aufbereitungen anderer zurückgegriffen werden kann, wie z.B. bei Herstellerdossiers zur Nutzenbewertung von Arzneimitteln, sondern weitgehend eigene Recherchen erforderlich sind. Das IQWiG geht nach diesen vorläufigen Einschätzungen davon aus, dass für die Bearbeitung von 10 Mindestvorhaltezahlen für 10 Leistungsgruppen ein Aufwand in hoher 6- bis niedriger 7-stelliger Höhe in Euro entstehen wird.
- Die neue Aufgabe des IQWiG ist derzeit nicht explizit in § 139a Abs. 3 SGB V aufgeführt, in dem die Gebiete beschrieben sind, auf denen das IQWiG tätig wird. In diesem Zusammenhang stellt sich auch die Frage der Erforderlichkeit einer Satzungsänderung der hinter dem IQWiG stehenden privatrechtlichen Stiftung. Denn die Satzung sieht eine zweckgebundene Mittelverwendung ausschließlich für Aufgaben nach § 139a SGB V vor. Umso mehr ist es erforderlich, die in §135 f SGB V beschriebene neue Aufgabe explizit in § 139a Abs. 3 SGB V aufzunehmen.
- Analog ist es erforderlich, die neue Aufgabe auch in §139b SGB V (Aufgabendurchführung) zu verankern, sofern eine Finanzierung aus den Mitteln zur Finanzierung des IQWiG nach § 139c SGB V beibehalten wird, da § 139b Abs. 2 und 6 für zukünftige Aufträge des BMG nach § 139f SGB V nicht anwendbar sind. Dies gilt unabhängig von der bereits im Zusammenhang mit den Aufgaben des IQTIG im Rahmen von § 135d SGB V diskutierten Frage, ob eine Finanzierung dieser vom BMG direkt beauftragen Aufgaben über § 139c SGB V aus rechtlicher Sicht problematisch ist. Denn derzeit gibt es in § 139b SGB V für Aufträge des BMG an das IQWiG entweder einen Durchführungsvorbehalt bei fehlender Finanzierung durch das BMG (§ 139b Abs. 2 Satz 2 SGB V) oder eine explizite und nur auf eine spezifische Aufgabe ausgerichtete
Mengenbegrenzung der Verwendung von Mitteln nach § 139c SGB V (§ 139b Abs. 6 SGB V zu Evidenzrecherchen mit einem Finanzierungsvolumen von maximal 2 Millionen Euro jährlich).
Zusammenfassend sieht das IQWiG wesentlichen Änderungsbedarf für das KHVVG, damit die in § 135f SGB V vorgesehene neue Aufgabe zukünftig sowohl zeitgerecht als auch in der für die Bedeutung der Aufgabe notwendigen Qualität sowie rechtssicher durchgeführt werden kann.