Auswirkungen der US-Politik auf die Literaturrecherche

Handlungsoptionen, falls PubMed (MEDLINE) und ClinicalTrials.gov nicht mehr verfügbar sind

Zusammenfassung

  • Die Literaturrecherche in Deutschland stützt sich zu großen Teilen auf die frei zugänglichen medizinischen Informationsangebote aus den USA. Hierzu existieren derzeit keine vergleichbaren deutschen, europäischen oder internationalen frei zugänglichen Alternativen.
  • Die wichtigsten Recherchequellen, für die eine Ausfallgefahr gesehen wird, sind die bibliografische Datenbank PubMed (MEDLINE) und das Studienregister ClinicalTrials.gov. Das vorliegende Dokument soll Unterstützung bieten, falls der Zugriff auf diese beiden Angebote nicht mehr möglich sein sollte.

PubMed (MEDLINE)

  • Der Archivbestand von PubMed (MEDLINE) bliebe auch bei einem Ausfall zugänglich und könnte über kostenpflichtige Plattformen wie MEDLINE (Ovid) oder kostenfreie Angebote wie Europe PMC durchsucht werden. Ein Wegfall beträfe nur zukünftige Daten, sodass die entstehende Lücke erst langsam auftreten würde, allerdings insbesondere die aktuellste Forschung beträfe.
  • Aktuell können andere frei zugängliche bibliografische Datenbanken oder deren Kombination den Inhalt von PubMed (MEDLINE) nicht vollständig ersetzen. Eine Kombination aus einer medizinischen bibliografischen Datenbank wie Embase (kostenpflichtig) und dem Datenbestand aus Crossref (z. B. über die Suchoberfläche „Lens“) wäre derzeit eine in Teilen kostenpflichtige und mit höherem Aufwand verbundene Herangehensweise.
  • Das Hauptproblem liegt allerdings weniger in der grundsätzlichen Abdeckung als in der Auffindbarkeit der Referenzen. Die Suchfunktionalitäten, umfangreichen Metadaten und die über Jahrzehnte von Informationsexpert*innen entwickelten Suchfilter (z. B. die „Hedges-Filter“) für PubMed (MEDLINE) können auf andere Plattformen nicht oder nur unzureichend übertragen und daher nicht einfach ersetzt werden.

ClinicalTrials.gov

  • Der Archivbestand von ClinicalTrials.gov wird über das ICTRP Search Portal weiterhin auffindbar sein. Jedoch handelt es sich dabei nur um ein Aggregat der ClinicalTrials.gov Einträge. Die Angaben zu Studienergebnissen und die im Register abgelegten Dokumente fehlen im WHO-Register komplett. In einem nächsten Schritt müssten daher bei Zugriff über das WHO-Register zusätzliche Suchschritte erfolgen (z. B. über das Internet Archive WayBack Machine), um die dazugehörigen Studiendokumente zu identifizieren.
  • Eine zukünftige Registrierung von Studien kann über nationale (z. B. das deutsche Studienregister DRKS) oder über internationale Studienregister (z.B. ISRCTN) erfolgen. Für Arzneimittelstudien bleibt das europäische Studienregister CTIS von hoher Bedeutung. Es sollte daher zukünftig auch für eine freiwillige Registrierung z. B. für weitere Studientypen oder Fragestellungen geöffnet werden.

Was braucht es als nächste Schritte

In Europa sollten sich die zentralen Akteure im Gesundheitswesen die Frage stellen, wie sie einem Ausfall von PubMed und ClinicalTrials.gov begegnen könnten. Sinnvoll wäre:

  • Bestehende Datenbanken übernehmen die Aufgaben von PubMed. Hierfür kommen beispielsweise Europe PMC oder die ZB Med mit Livivo (zukünftig ggf. OLSPub) infrage, die eine entsprechende Infrastruktur aufbauen könnten
  • Die Erstellung eines Interfaces mit professionellen Suchfunktionalitäten. Da über Crossref ein Großteil der MEDLINE-Daten frei verfügbar ist, könnten mithilfe einer API-Schnittstelle ein eigenes Interface aufgebaut und somit die beschriebenen Limitationen von Lens überwunden werden.
  • Bei den Studienregistern besteht die Aufgabe darin, bestehende Alternativen auszubauen und zu öffnen (z. B. CTIS) oder zentrale Plattformen (z. B. ISRCTN) zu unterstützen.

Was ist das Problem?

Unter der aktuellen US-Administration hat sich die Wissenschaftspolitik in den USA stark verändert, was auch weitreichende Folgen für die wissenschaftliche Literaturrecherche in Deutschland und Europa haben könnte. Aufgrund finanzieller und personeller Kürzungen in den United States Department of Health and Human Services (HHS)-Behörden (insbesondere National Institutes of Health, NIH, und Food and Drug Administration, FDA) steht die Option im Raum, dass Informationsangebote, die bisher frei verfügbar waren, kostenpflichtig werden oder gar nicht mehr zur Verfügung stehen. Die derzeit wichtigsten Recherchequellen, für die diese Gefahr gesehen wird, sind die bibliografische Datenbank PubMed (MEDLINE) und das Studienregister ClinicalTrials.gov.

PubMed (MEDLINE)

PubMed (MEDLINE) ist eine bibliografische Datenbank der National Library of Medicine (NLM). Sie umfasst Referenzen aus den Bereichen Medizin, Biochemie, Genetik und Molekularbiologie, Pharmakologie, Toxikologie und Pharmazie. PubMed (MEDLINE) bietet einen kostenfreien Zugang unter anderem zu den Datenbanken MEDLINE und PubMed Central (Volltexte).

MEDLINE wurde in den 1960er Jahren entwickelt und umfasst Zitate aus mehr als 5.200 wissenschaftlichen Zeitschriften weltweit. Insgesamt enthält diePubMed-Datenbank mehr als 38 Millionen Zitate und Zusammenfassungen biomedizinischer Literatur.

Alternativen zu PubMed (MEDLINE)

Anhang A bietet eine Übersicht zu möglichen Alternativen. Die Auswahl erfolgte aufgrund des Datenbestandes, der Suchfunktionalitäten und der Verfügbarkeit. Die Identifizierung erfolgte primär über https://www.searchsmart.org.

Die Tabelle 1 veranschaulicht beispielhaft anhand aktueller Zeitschriftenlisten der Datenbanken Embase und Crossref, inwiefern sich deren Datenbestände mit MEDLINE überschneiden.

Tabelle 1: Abdeckung MEDLINE indexierter Journals
Datenbanken n
Journals in MEDLINE 5.264
- davon in Embase indexiert1 3.360 (64%)
- davon in Crossref indexiert 4.939 (94%)
Datenbankkombinationen
Embase + Crossref 5.053 (96%)
1 Embase übernimmt einen Teil der MEDLINE Journals direkt und übersetzt dabei lediglich die Schlagworte in das Embase-Format (MeSH- in Emtree-Terms). Diese nicht eigens von Embase indexierten Journals, die aktuell in Embase gefunden werden, sind hier nicht berücksichtigt.

Für das vorliegende Dokument wurde auch geprüft, über welche Datenbanken auf den Archivbestand mit ausreichenden Suchfunktionalitäten zugegriffen werden kann. Daraus ergeben sich folgende Empfehlungen, die in der Tabelle 2 dargestellt sind.

Tabelle 2: Empfehlungen für Alternativen zu PubMed (MEDLINE)
  kostenfrei kostenpflichtig
Archivbestand Europe PMC, Lens MEDLINE (OVID), Embase, Web of Science, Scopus
Aktuelle Referenzen Crossref (z. B. über Lens) Kombination Embase und Crossref (z. B. über Lens)

Crossref-Daten können derzeit nur über sogenannte Mega-Zitationsindizes wie Lens oder OpenAlex durchsucht werden. Diese Indizes bieten jedoch nur begrenzte Möglichkeiten für klassische Boolean-Suchen. Zudem fehlen Schlagwörter, Abstracts sind nicht immer verfügbar, und die Suchfunktionen sind eingeschränkt. Dadurch ist eine systematische und professionelle Recherche in diesen Indizes nicht auf dem gleichen Niveau möglich wie in etablierten bibliografischen Datenbanken wie MEDLINE oder Embase. Trotz dieser Einschränkungen sind sie derzeit die einzige Möglichkeit, in Kombination mit anderen Datenbanken den Datenbestand von MEDLINE möglichst vollständig abzubilden.

ClinicalTrials.gov

ClinicalTrials.gov ist das amerikanische Studienregister zur Registrierung klinischer Studien und der Darstellung ihrer Ergebnisse. Mit dem Food and Drug Adminstration Moderinzation Act von 1997 wurde seine rechtliche Grundlage geschaffen, im Jahr 2000 ging das Register online.

Zuerst umfasste der regulatorische Bereich nur die Registrierung von Studien, die in den Bereich der amerikanischen Zulassungsbehörde FDA fielen. Das Register war aber bereits von Anfang an auch offen für die freiwillige Registrierung weiterer Studien. Durch weitere zum Beispiel regulatorische Entwicklungen erweiterte sich das Register und ist heute das weltweit größte und bedeutendste seiner Art. Aktuell sind dort bereits über eine halbe Millionen Studien registriert. Gleichzeitig bietet es im Vergleich zu anderen Studienregistern umfangreiche Suchfunktionen und enthält neben der ausführlichen Ergebnisdarstellung auch weitere relevante Dokumente, wie Studienprotokolle und Statistische Analysepläne (SAP).

Alternativen zu ClinicalTrials.gov

Mögliche Alternativen zu ClinicalTrials.gov zeigt Anhang B. Register, die vorrangig als nationale Register konzipiert wurden, wurden nicht berücksichtigt. Daraus ergeben sich für den Fall, dass ClinicalTrials.gov nicht mehr verfügbar sein sollte, folgende Empfehlungen für die Studienregister-Suche:

Empfehlungen für Alternativen zu ClinicalTrials.gov

Archivbestand

ICTRP Search Portal in Kombination mit Internet Archive WayBack Machine für Studiendokumente

zukünftige Registrierung und Suchen

Registrierung über nationale oder internationale Studienregister (z.B. ISRCTN)

Suche über ICTRP Search Portal

Was sind die nächsten Schritte?

In einem nächsten Schritt prüfen wir weitere Alternativen und praktische Lösungen:

  • Wir testen die Nutzung von Crossref über Lens in der Praxis. Dabei klären wir, ob die Vollständigkeit (in Bezug auf Recall und Coverage) auch im Praxiseinsatz erreicht werden kann. Zudem bedarf es der Optimierung von Import-Filtern etc.
  • Wir untersuchen, ob die Internet WayBack Machine alle enthaltenen PDF-Dateien aus ClinicalTrials.gov sichert.

Das vorliegende Dokument wird aktualisiert, sobald neue relevante Informationen vorliegen.

Anhang A: Bewertung alternativer Datenbanken zu MEDLINE
Datenbank (Markteinführung) Provider Art der Organisation (Standort) Datenbestand* (Medicine**) Datenquellen Suchoberfläche und -funktionalität Studienfilter (RCT/NRS/SR) mit > 95% Sensitivität
aktuell MEDLINE im Datenbestand enthalten
Kosten
Embase (via Ovid) (1974) Wolters Kluwer N.V. gewinnorientiert: NL 37M (21M) Bibliografische Datenbank 🠕 Ja/Nein/Ja Ja kostenpflichtig
Lens (2017) Cambia NGO: Australien 236M (59M) Vielzahl von Quellen (z. B. Crossref, PubMed) Nein Ja frei
Science Citation Index Expanded (via Web of Science) (1997) Clarivate gewinnorientiert: UK 60M (18M) Bibliografische Datenbank Nein2 Nein kostenpflichtig
Scopus (2004) Elsevier gewinnorientiert: NL 84M (22M) Bibliografische Datenbank Nein2 Ja kostenpflichtig
Weitere Datenbanken
Crossref (1999) Publishers International Linking Association NGO: US 131M (36M) Digitale Bibliothek 🠗 Nein Nein frei
Livivo (2015) ZB MED NGO: DE 58M Vielzahl von Quellen (z. B. Crossref, PubMed) Nein Ja frei
Europe PMC (2007) EMBL’s European Bioinformatics Institute NGOs, international 40M (21M) Bibliografische Datenbank 🠕 Nein Ja frei
*PubMed: 35.20M (https://www.searchsmart.org: Stand: 24.01.2023),
**PubMed: 18.41M (https://www.searchsmart.org: Stand: 27.03.2025)
2 Für diese Datenbank sind keine validierten Studienfilter vorhanden (SR, RCT)
Anhang B: Ergebnisse der Bewertung der Studienregister (inkl. ClinicalTrials.gov)
Name Herkunft Gesetzl. Grundlage Finanzierung Verfügbare Inhalte Bestand an Studien (17.04.2025) ICTRP Primär-
register
Umsetzung ICMJE Policy Zugang für die Regis-
trierung
Suchfunktiona-
litäten
ClinicalTrials.gov USA ja staatlich, national Minimalangaben zur Studie Verlinkung Publikation
Ergebnisdokumente
Protokolle und weitere Dokumente
534.465 70.931 mit Ergebnissen
ja ja offen 🠕
ICTRP Search Portal1 nein staatlich, international Minimalangaben zur Studie 988.236 141.533 mit Ergebnissen
- ja keine
EU Clinical Trials Register (EU CTR) EU ja staatlich, international Nur AM Studien
Minimalangaben zur Studie
Ergebnisdokumente
44.327 24.921 mit Ergebnissen
ja nein beschränkt
Clinical Trials Information System (CTIS) EU ja staatlich, international Minimalangaben zur Studie Ergebnisdokumente
Protokolle und weitere Dokumente
8.972 103 mit Ergebnissen
Ja nein beschränkt
European database on medical devices (EUDAMED) EU ja staatlich, international Im Moment keine 0 nein nein beschränkt 🠗
ISRCTN Register UK nein kommerziell (gemeinnütziger Verein, Infrastruktur via BMC /Springer Nat. Minimalangaben zur Studie Verlinkung Publikation
Ergebnisdokumente
Protokolle und weitere Dokumente
26.230 14.266 mit Ergebnissen
ja ja offen, kostenpflichtig (250 GBP) 🠕
1 Metaregister der , bietet selbst keine Möglichkeiten der Registrierung, sondern greift bestimmte Daten aus seinen derzeit 20 Primärregistern ab